VIII. Brief.

Fräulein Amalia an das Fräulein v.M.

[73] den 26 Nov.


Da sehen Sie es nun, daß es nur ein Spaß ist. Wie gesagt, Sie sind in das Lustspiel eingeflochten worden, und müssen Ihre Rolle spielen. Sie mögen nun wollen oder nicht. Sie sind aber doch in gute Hände gefallen, da der Baron das Complot unter seinem Commando hat. Mein Oncle hätte nicht schlimmer wählen, und für Sie hätte diese Wahl nicht besser ausfallen können. Nun sind Sie sicher. Der Baron hat Ihren Liebhaber Ihnen nicht einmal unter die Augen geführet, weil er glaubte, daß seine Gegenwart Sie beunruhigen könnte, und er wird dieses allezeit thun, wenn er es in seiner Gewalt hat. Ich fange jetzo an, wirklich Mitleiden mit meinem Oncle zu haben, und wenn Sie es nicht wären, so wüßte[74] ich nicht was ich thäte, um ihn glücklich zu machen. Sie sollen unterdessen nach meinem Wunsche einen Freier bekommen, der Ihnen besser anstehet, aber eben so aufrichtig liebt als dieser, und daran zweifle ich auch nicht: ihr Planete verspricht Ihnen dieses. Auf mein Wort, ich glaube vollkommen, daß die Planeten eintreffen; der Ihrige paßt so gut auf Sie, als wenn er Ihretwegen wäre gemacht worden. Sehen Sie nur, was Lampert für ein sinnreicher Kopf ist! Auch im Calender findet er etwas artiges, das ein Liebhaber seiner Schönen sagen kann. Ich muß doch sehen, ob sich mein Planet auch so vortheilhaft erklären läßt, als der Ihrige. Ich bin im April gebohren, gut, ich will mir selbst die beste Auslegung darüber machen – –. Verwünscht! Bald will ich den April wieder auskratzen, und einen andern Monat dafür in den Brief setzen. Hätte ich doch nie die Begierde gehabt meinen Planeten zu lesen. Der Kerl, der den Calender schreibt, hat, wie ich glaube, mir zum Possen[75] diese schlimme Prophezeiung erdacht, oder eine grundböse Frau gehabt, die mit mir in einem Monat gebohren worden, und dieses hat ihn bewogen, die böse Gemüthsart seiner Frau dem Gestirn zuzuschreiben, das in dem Monat ihrer Geburt regieret hat. Suchen Sie ja meinen Planeten nicht auf, sonst lasse ich mich nicht wieder vor Ihnen sehen. Das ist entsetzlich, daß ich gerade in einem Monat gebohren bin, der den Mädchens so fatal ist! Ich werde künftig meinen Geburtstag verlegen, wie mein Oncle den Tanz unter der Linde. Ich hatte mir vorgesetzt, wenigstens ein Dutzend Körbe anzubringen, ehe ich mich der Herrschaft eines Ehetirannen unterwerfen wollte: aber mein Stolz ist gedemüthiget, ich werde nicht einen loß werden. Einen lachenden Freier, das ist nach meiner Erklärung, der nicht einmal rechten Ernst braucht, darf ich nicht abweisen, wenn ich nicht befürchten will, daß gar keiner wieder komme. Das schlimmste aus den Planeten, darüber ich mich fast ärgere, will ich mit Stillschweigen übergehen.[76]

Nicht wahr, wir waren gestern sehr vergnügt? Ich war es insonderheit, daß Sie den Spaß so wohl aufnahmen. Ha! Ha! Ich muß herzlich lachen, ein Glückwunsch in einer Pastete, das ist der lustigste Einfall, den man erdenken kann. Sie wurden über und über roth bei dem Fund, den Sie thaten. Ich merkte es, sobald Sie den Deckel aufhoben, ich vermuthete mir aber etwas ganz anders. Ich dachte der Major hätte den Spaß gemacht. Ihnen die Wahrheit zu gestehen, habe ich ganz und gar nichts davon gewußt, selbst meine Schwester nicht. Sie hat vermuthet, daß ihr Mann, um der Tafel ein besser Ansehen zu geben, die Pastete aus der Stadt hätte holen lassen. Ich bekümmere mich nicht um die Küche, und wurde nicht eher aufmerksam darauf, bis man Sie nöthigte vorzulegen. Sie sahe auch so ehrlich aus, daß ich ihr keine Schelmerei zutraute. Lampert hat doch manchmal einen Einfall, der werth ist, belacht zu werden. Der Mann macht gleichwohl seinen Vers, der nicht zu[77] verachten ist. Der Baron hat ihm unter den Fuß gegeben gehabt, einen lustigen Gedanken über die Frau v.W. mit einzumischen. Er hat es gethan; aber zum Glück hat er seinen satirischen Einfall so versteckt, daß er von wenigen bemerkt wurde. Ob ich mich gleich nicht für sonderlich scharfsinnig halte: so konnte ich doch leicht errathen, was die Eule, die Athen verehrt, zu bedeuten hatte. Die Auslegung, die der Baron über diesen dunkeln Ausdruck machte, die fernern Untersuchungen des Majors zu unterbrechen, war sehr weit hergeholt, und wollte an keinem Orte recht passen. Er sahe wohl den wahren Verstand ein: aber es war nicht rathsam, diesen Text gar zu genau zu erklären.


Aber hören Sie doch, mein liebes Fräulein, warum suchen Sie den Major immer gegen mich in Harnisch zu bringen? Sie müssen einen großen Wohlgefallen daran haben, mich einmal mit ihm zanken zu sehen, daß Sie uns immer zusammen hetzen. Nun kann[78] ich Sie doch auch einmal einer Leichtfertigkeit beschuldigen. Warten Sie, das laß ich Ihnen nicht so hingehen. Es kam mir, ich weiß nicht was für eine Lust an, Ihnen was ins Ohr zu fliestern, es war eine Kleinigkeit, die ich vergessen habe. Warum beschuldigen Sie mich denn, ich hätte von dem Major gesprochen, da ich doch nicht an ihn gedacht hatte? Wollten Sie ihn für seine Neugierde strafen, daß er unsere Heimlichkeit zu wissen verlangte? Das war vermuthlich Ihre Absicht, aber dadurch wurde ich mehr für meine Verwegenheit gezüchtiget, daß sich mein Mund Ihrem Ohr genähert hatte, als er für seinen Vorwitz. Was wird er denken, wenn er sich einbildet, ich hätte mich in seiner Gegenwart über ihn aufgehalten? Ich glaube nicht, daß er mich gnugsam kennet, um mir eine solche Unanständigkeit nicht zuzutrauen. Was mögen Sie ihm doch für ein Mährgen aufgeschwatzt haben? Ich zweifle nicht, daß er Sie wieder darum befragt hat, weil Sie nicht geschwinde genug[79] eine Unwahrheit erdenken konnten, die Sie ihm vorschwatzten, da er Sie in meiner Gegenwart befragte, was ich von ihm gesagt hätte. Sie werden nun Mühe haben meine Unschuld zu retten, und ihm die Gedanken zu benehmen, worinne er stehet, daß ich mich über ihn aufgehalten hätte, so unschuldig ich auch bin. Thun Sie ja Ihr bestes all ihm, diese Meinung zu benehmen, oder wenn Sie es nicht thun, so geben Sie Achtung. Sie werden schon auch einmal in seiner Gegenwart mit nur heimlich reden, oder ich finde auch wohl eine andere Gelegenheit, Sie so bat ihn anzugießen, daß Sie mich verwünschen sollen. Ich will Ihnen nun die Absicht meines Briefs entdecken, ich hatte mir vorgenommen, dieses in den ersten Zeilen zu thun, und er ist mir unter der Hand gewachsen, wie das Werk eines Gelehrten, ohne daß ich daran gedacht habe. Mein Oncle hat dem Baron aufgetragen, einen getreuen Bericht von der Aufnahme seiner Glückwünsche abzustatten, was für Urtheile darüber gefället[80] worden, und ob sie bei Ihnen einen für ihn vortheilhaften Eindruck gemacht hätten. Ich übersende Ihnen den Entwurf davon zur Durchsicht, verbessern und ändern Sie solchen nach Ihrem Gefallen, schicken Sie ihn aber bald zurück, damit mein Oncle, der sehr begierig ist, das Schicksal seiner Glückwünsche zu erfahren, befriediget wird. Ich umarme Sie.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band3, Eisenach 1762, S. 73-81.
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