XXIII. Brief.

D. Bartlett an den Magister Wilibald.

[155] Grandisonhall, den 14 Sept.


Hochzuverehrender Herr Magister,


Auf Befehl meines gnädigen Herrn, Sir Carl Grandisons, soll Eur Hoch Ed. für die übersendete Inscription auf das Grabmaal der seligen Frau Shirley den verbundensten Dank abstatten. Sie haben wirklich einen glücklichen Einfall gehabt. Sir Carl ist dadurch ermuntert worden, sogleich einen prächtigen Marmor über der Gruft berührter Dame setzen, und die von Ihnen verfertigte Aufschrift einhauen zu lassen. Das Chronodistichon aber und das [155] Anagramma sind Goldeswerth, und werden heilig aufgehoben, und von Kennern für die äußerste Anstrengung des menschlichen Witzes gehalten. Unsere Nation ist in diesen Künsten noch ganz unwissend. Wundern Sie Sich also nicht, gelehrter Freund, wenn Sie die königliche Gesellschaft der Wissenschaften in Londen, zu einem Mitgliede angenommen hat, und Ihnen durch mich das Patent davon übersendet. Sie sind dieser Ehre würdig, und Jedermann wünschet Ihnen Glück. Fahren Sie fort, schätzbarer Freund, die Ehre Deutschlands zu befördern, und der ganzen gelehrten Welt zu dienen. Denken Sie aber auch dabei an


Dero

aufrichtigen Freund,

Bartlett, Doctor.


N.S. Sobald die Stempel zur Gedächtnismedaille auf die selige Frau Shirley, auf welche das wohlausgedachte Chronodistichon, das Sie verfertiget haben, gesetzet werden[156] den soll, gestochen ist; habe ich das Vergnügen, Ihnen die ersten Abdrücke dieser Medaille, als eine geringe Erkenntlichkeit für Dero gelehrte Bemühung, auf Befehl meines Gönners, zu übersenden. In Gold wird sie 10 Ducaten wiegen, an Silber aber wird sie einem Speciesthaler gleich seyn. Sir Carl hat auf seinen Gütern 1000 Klaftern Holz schlagen lassen, um die Kosten dieser Gedächtnismünze davon zu betreiben.


Beilage zum vorigen Brief.

Nachdem Wir, Präsident, Director, und übrige Mitglieder der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften, die seltenen Verdienste in sinnreichen Aufschriften, Buchstabenveränderungen und andern dergleichen Erfindungen, des Hochedlen und Hochgelahrten Herrn, Herrn Lampertus Wilibalds, der Weltweisheit Doctors, erfahren, und einige vortrefliche Proben davon gesehen: So haben wir nach reiflicher Ueberlegung für gut befunden, belobten Herrn Magister Lampert Wilibald, als ein Mitglied unserer Gesellschaft anzunehmen,[157] und ihm darüber gegenwärtiges Patent auszuhändigen:

Es kann also gedachter Herr Lampert Wilibald, künftighin aller Rechte eines Ehrenmitglieds sich bedienen, den Titel eines Membri honorarii führen, und in allen Fällen sich Unsers Schutzes getrösten. Dabei aber wird er von Uns ermuntert, ersucht und gebeten, daß er ins künftige alle Monate etwas sinnreiches ausarbeite und nach Londen an Unseren Secretaire einschicke. Als,

im Januario kann er ein Aenigma, im Februario ein Anagramma, im Martio ein Eteostichon, im April, ein Acrostichon, im Maio ein Palindromon oder versum cancrinum, im Junio ein Aequidicum, im Junio ein Echo, im Augusto ein Logogriphum, im Septrmber ein Epitaphium, im October ein Onomasticum, im November ein Sonet, im December ein Madrigal verfertigen, und eine Belohnung gewärtig seyn.[158]

Urkundlich haben wir dieses Decret eigenhändig unterschrieben und mit Unserm Gesellschaftssiegel bedruckt. Londen den 6 Septemb. 1759

(L. S.)


Horatius Sherbury.

Nathanael Hervey.

beständiger Secretair.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band1, Eisenach 1760, S. 155-159.
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