XIII. Brief.

Der Major v. Ln. an den Herrn v.N.

[67] Den 21 Octob.


Ihr Brief hat Ihnen ohnfehlbar viel Mühe gemacht. Es scheinet Ihnen leichter, Fehler zu begehen, als Fehler zu entschuldigen. Warum soll ich meiner Base keine Satisfaction verschaffen, da Sie ihre Ehre und die meinige zugleich antasten? Die Art und Weise Sie abzustrafen ist so barbarisch nicht, als Sie denken. Es ist diese Gewohnheit einmal bei Cavaliers hergebracht, daß sie ihre Streitigten mit dem Degen in der Faust beilegen; wir haben solche nicht aufgebracht, wir wollen sie auch nicht wieder abbringen, es mag immer bei dem alten bleiben. Es ist auch nicht nöthig, daß wir erst untersuchen, ob dieser Gebrauch von den Heiden oder Türken entlehnt sey, gnug, der Adel darf keine Beleidigungen auf sich[68] sitzen lassen, und nun ist es mit uns einmal so weit gekommen, daß einer den andern aus dem Sattel heben muß. Ich bin eben kein Feind von der neuen Mode, und wenn das verdammte Schlagen abkäme: so wäre ich es wohl zufrieden; aber ich fange diese Mode nicht zuerst an. Ihr Gevatter mag seyn wer er will, und wenn er auch ein abyßinischer Prinz wäre, so soll er mir keine Gesetze vorschreiben. Mit einem Worte, wir müssen unsere Sache als brave Cavaliers ausmachen, ehe wir wieder gute Freunde werden. Es kann also unser Zwist nicht durch einen gütlichen Vertrag, wie Sie Sich einbilden, beigeleget werden; ich lasse mich auch in keine mündliche Unterredung mit Ihnen ein: vor jetzo kann ich nicht anders als auf Hokippo mit Ihnen reden. Sie wollen mir durch die Anführung einiger Ihrer Heldenthaten eine Furcht einjagen; allein Sie irrensich. Ich lasse sie zwar alle auf ihrem Werth und Unwerth beruhen; aber wenn ich ihnen auch Glauben beimesse, so frischen mich solche nur noch mehr an, mit einem so tapfern[69] tapfern und unüberwindlichen Ritter, ein Speerrennen zu wagen, um zu sehen, wer den letzten begräbt. Ich könnte, nach der langverjährten Mode, wenn ich meine ritterlichen Thaten den Ihrigen entgegen stellen wollte, Ihnen Hohn sprechen: ich will Ihnen aber lieber in der That zeigen, daß ich ein Mann bin, der sein Herz am rechten Orte hat. Finden Sie Sich nur auf den 25sten dieses bei dem Herrn Baron v.F. ein, dort wollen wir einander sprechen, und wenn wir unsere Sache ausgemacht haben, alsdenn will ich es versuchen, ob ich mich jemals werde überwinden können, in der That zu seyn


Ihr

ergebenster Diener

v. Ln.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite,Erster bis dritter Theil, Band 2, Eisenach 1761, S. 67-70.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Grandison der Zweite oder Geschichte des Herrn von N.
Grandison der Zweite oder Geschichte des Herrn von N.