II. Brief.

Einschluß an Fräulein Julianen von dem Hrn. v.N.

[4] Kargfeld, den 19 Sept.


Hochwohlgebohrnes Fräulein,

Gnädiges Fräulein,


Wenn Ihnen mein letzter Auftritt in Wilmershausen misfällig gewesen ist; so bitte ich dieserwegen hundert Millionen mal um Verzeihung.


Der Henker hole! es war nicht böse gemeint. Ich wollte wie Sir Carl zum ersten male als ein Gespenste erscheinen; aber der Magister und der sappermentische Jeremias verdarben den ganzen Handel. Zum Unglück verstand Ihre Frau Mama keinen Spaß, und so mußte denn freilich alles contrair gehen. Ich höre auch, daß ich damals einen kleinen Rausch soll gehabt haben – –[5] es kann wohl seyn: was ist aber daraus zu machen! der Wein und die Liebe überwältigen oft den bravsten Kerl von der Welt. Ich biethe Ihnen also mein Herz vom neuem an, und bitte demüthig um Ihre Gegenliebe. Schlagen Sie mir diese Bitte nicht ab, schönstes Fräulein! Erlauben Sie, daß ich kommen, und mich in der Cederstube zu Dero Füßen werfen darf. Ich will im blauen Hechte absteigen und mich erst anmelden lassen; ich will der bescheidenste und artigste Mann seyn; ich will nur das poculum hilaritatis minus trinken; ich will Ihnen ein Geschenk machen, das meinem Vermögen gemäß ist; ja ich will Sie Zeitlebens als eine Göttin verehren, und alsdenn sterben als


Dero

getreuester Sclave

v.N.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite,Erster bis dritter Theil, Band 2, Eisenach 1761, S. 4-6.
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