IX. Brief.

Das Fräulein v.S. an das Fräulein v.W.

[43] Den 5 Oct.


Ich war ganz außer Athem, da ich Ihren Brief gelesen hatte. Wie Sie mich doch erschrecket haben mit Ihrem thrasonischen Major! Ich kann es Ihnen[43] nicht vergeben. Er hat meine Achtung verlohren, weil er einen Eisenfresser vorstellen will. Glauben Sie es nur, der Herr v.N. hat nichts von ihm zu fürchten – Nein ganz und gar nichts! Leute die von ihren Händeln so viel Wesen machen, und immer erzählen, wieviel sie noch erschlagen wollen, die bringen keinen Menschen ums Leben. Stellen Sie Sich mein Schrecken auch nur nicht gar zu außerordentlich vor; ich freue mich vielmehr, und wünsche, daß das Duell zwischen den beiden Männern zu Stande kommen möge, ich habe Lust meinem Oncle einen leichten Sieg in die Hand zu spielen. Er stehet seinen Mann, das weiß ich, und ich darf ihm nur den Rath geben, den Cäsar einsmals seinen Soldaten gab, um seinen Gegner aus der Fassung zu bringen. Wissen Sie, worinnen dieser bestund? Wo wollen Sie das wissen! das sind Dinge, die nur uns gelehrten Mädchens bekannt sind, und davon haben Sie Sich ausgeschlossen. Gut, ich will es Ihnen dann erzählen, sitzen Sie fein stille, und hören Sie zu. Cäsar und[44] Pompejus waren einsmals im Begriffe, einander eine Schlacht zu liefern, um das Schicksal Roms, so wie ihr eigenes, zu entscheiden. Cäsars Heer bestund aus alten versuchten Soldaten, lauter Schnurbärten von dem martialischen Ansehen meines Oncles; zu dem Pompejus hingegen hatte sich der größte Theil des römischen Adels geschlagen, meistens feine süße Herrn, die den ersten Feldzug mit machten, geschickter in dem zärtlichen Rom, als im Felde Eroberungen zu machen. Die Legionen des Cäsars wurden durch die Menge und den hitzigen Angriff der jungen Krieger, in etwas schüchtern gemacht; der General aber hatte ihnen nicht so bald zugerufen: Soldaten, nach der Stirn führt eure Streiche, so kehrten die jungen Römer dem Feinde den Rücken, um eben die Larve wieder nach Rom zu bringen, die sie von da mitgenommen hatten. Was meinen Sie, sollte sich diese Kriegslist nicht hier auch anwenden lassen? Der Major hat von seiner Bildung, wie es scheint, keine geringen Begriffe; aber der Herr v.N. hat sein Gesicht bald[45] um zwanzig Jahre überlebt. Verlassen Sie Sich auf mein Wort, Ihr prahlender Major soll ein Ehrenzeichen bekommen, oder mein Oncle muß auf dem Platze bleiben –.


Nun, das nennen Sie gottloß, frommes Kind! Nicht wahr? Es ist auch ein Bisgen zu arg; wenn ich in dieser Sprache fortreden wollte, so würden Sie mir bald eine nachdrückliche Strafpredigt halten; oder Sie verdammten wohl gar meinen Brief zum Feuer. Thun Sie es ja nicht, es ist so böse nicht gemeinet, ich habe Ihnen nur zeigen wollen, daß Sie nicht unrecht haben, wenn Sie von mir sagen, ich machte mich über die ernsthaftesten Dinge lustig. Es ist wahr, ich habe einen Hang dazu, über das zu scherzen, worüber andere erschrecken, oder sich betrüben; diese muthwilligen Anfälle gehen aber sogleich vorüber, wenn ich Niemand finde, der mit lachen will. Da Sie dieses jetzo gewiß nicht thun werden; so will ich meine Ernsthaftigkeit nun wieder zurück rufen.[46] Es ist andem, Ihr letztes Schreiben hat uns in etwas bestürzt gemacht. Sie dürfen nicht denken, daß ich hier in der Sprache großer. Herren rede, und mich alleine verstehe, der Baron und meine Schwester lesen Ihre Briefe, und ich glaube, Sie gestatten es. Zu einem ernstlichen Duell zwischen meinem Oncle und dem Major will es der Baron durchaus nicht kommen lassen, und wenn er sich selbst mit dem letztern herumschlagen müßte; indessen denkt er nicht, daß es so gefährlich ist. Er ist gestern mit dem Major in Reichenberg in Gesellschaft gewesen; er hat sich aber nicht das geringste von einem Unwillen gegen meinen Oncle merken lassen. Der Baron glaubt, die Frau v.W. müßte ihm ein Stillschweigen auferlegt haben, damit er sich nicht zum Schiedsrichter unter den Partheien aufwerfen möchte. Diesem Vormittag war der Magister hier. Ich machte mich an ihn, um zu erfahren; ob sein Patron auf dem Brief an den Herrn v.W. eine Antwort erhalten hätte. Er verwunderte sich außerordentlich darüber, daß ich wußte, daß der[47] Hr. v.N. an den Herrn v.W. geschrieben hätte, und er konnte gar nicht begreifen, durch was für einen Canal ich dieses erfahren hätte. Aus seiner Verwunderung schloß ich, daß die Sache sehr geheim hatte zugehen sollen. Endlich gestund er, daß sein Gönner von dem Herrn v.W. eine Antwort erhalten hätte, die ihm aber gar nicht gefällig wäre. Der Herr v.W. wäre der rechtschaffenste Cavalier von der Welt; seine Gemahlin aber machte gefährliche molimina, den Herrn v.N. vielen Verdrüßlichkeiten auszusetzen, die er jedoch, so bald er nur wieder einen Fuß regen könnte, nach dem Beispiele Sir Carls durch großmüthige Bewegungen alle zu übersteigen hoffte. Die Frau v.W. würde bald dahin gebracht werden, daß Sie, wie alle Feinde des Baronets, ihre Fehler erkennen und sich derselben schämen würde. Der Magister stellte zugleich zwischen ihr und der Frau Jervois eine weitläuftige Vergleichung an. Sie ließ sich noch so ziemlich hören, nur darinne schien er es nicht getroffen zu haben, daß er den Major einen von ihren auf[48] eine Zeitlang angenommenen Männern nennte. Mich dünkt, wenn Sie doch ja nie Henriette Byron seyn sollen: so würde er eher dem Greville ähnlich seyn; doch wer weiß, wie viele Rollen mein Oncle und der Magister diesem guten Manne aus dem Grandison noch spielen lassen. Ich glaube ganz gewiß, mein Oncle hat einen ungegründeten und recht bösen Verdacht auf den Major geworfen; die Vergleichung des Magisters, bringt mich auf diese Gedanken; er siehet aber die Sache nicht recht ein. Die Gefälligkeiten des Majors gegen die Frau v.W. haben etwas ganz anderes zum Gegenstande. Er hütet sich, die Dame zu beleidigen, damit sie ihm nicht den Zutritt zu ihrer Fräulein Tochter versagen soll. Warum will sich denn der Mann durchaus ein Verdienst bey Ihnen machen? Die täglichen Visiten – die haben etwas mehr als Familienangelegenheiten zu bedeuten, diese würden keine täglichen Conferenzen erfordern; aber der Argwohn meines Oncles ist lächerlich. Geben Sie nur Achtung, mein Kind, ob nicht der Major[49] den Augen meines Oncles bald ein Greville oder gar Sir Hargrave Pollexfen seyn wird. Ich denke, wir werden über diesen Punkt noch oftmals etwas zu lachen bekommen, wenn nur erst der Zwist der beiden Männer in der Güte beigeleget ist. Ich hoffe, der Baron wird alles zum besten kehren, und da Sie bereits Ihre Bemühungen selbst zu dieser Absicht angewendet haben; so kann die Sache keinen andern, als einen guten Ausgang gewinnen. Wir hoffen alle das beste, inzwischen ist dabey am wenigsten besorgt


Ihre

ergebenste Freundin und Dienerin

Amalia v.S.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite,Erster bis dritter Theil, Band 2, Eisenach 1761, S. 43-50.
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