Alf von Dülmen an Alverde.

1207.

[168] O Schwester, was legst du mir auf! Ich soll den Himmel verlassen, in welchem meine Göttin wohnt, nachdem ich alle Quaalen der Vorhölle ausgestanden habe, ihn zu erreichen? ich soll die himmlische Alix nicht mehr sehen, deren Anblick die Spur jeder Schönheit, die ich vor ihr sah, verlöschte, jeden Reiz, den ich nach ihr erblicken möchte, zur Häslichkeit machen wird? Rede mir nicht vom Glück, das ich durch fremde Liebe erreichen könnte, rede mir nicht von[168] dem, was das Herz einer andern für mich sprechen mag, ich höre nichts, ich sehe nichts als die göttliche Gräfin von Toulouse; und liebte mich das Wunder unserer Zeit, Kaiser Philipps Tochter, die aufblühende Beatrix, nach deren Besitz alle geizen, die sie je gesehen haben, ich verschmähte ihre Liebe, um einen einigen Blick von jenem Engel zu gewinnen, dessen Reize mir Kalatins Bild so schwach, so unvollkommen schilderte.

O Alverde, es ist Unsinn was ich dir schreibe, aber verzeihe! – Du hast nie einen Zustand wie den meinigen erfahren, mein Gehirn ist in Flammen, mein Blut kocht, ich fühle, daß ich wie ein Rasender handle, aber ich kann, ich kann mich nicht zurückziehen, und stünd mein Leben und das Leben meiner Geliebten auf dem Spiele. –

Die wildesten Entwürfe von Raub, Mord und Entführung durchkreuzen meine Einbildungskraft. Sprich selbst, wie soll ich meine Geliebte dem glücklichen Kastilier anders entreißen, als durch Gewaltthat? Ihm, der sein Glück nicht einmal zu schätzen weiß, der kalt genug ist, einen Gesandten zu schicken, der seine Hand an seiner Statt in die Rechte der himmlischen Braut legen, und den priesterlichen Segen über sich sprechen lassen soll! – O für so einen[169] Handschlag, für so einen Segen über mich und sie, gäbe ich mein Leben; aber mir wird nicht einmal ein Blick von ihr zu Theil; sittsame Zurückhaltung und eine himmlische Schwermuth, die sie vollends unwiderstehlich macht, senken ihre Augenlieder zur Erde, und du und die feindselige Kastelmoro zieht euch so dicht um sie her, daß kein Seitenstrahl von ihren Blicken auf mich fallen kann!

Ich habe euch gestern, deinen Warnungen zum Trotz, wieder unablässig umschwebt, ich habe sie gesehen, ob ich gleich von ihr wohl nicht bemerkt wurde. Sie war traurig, – Sprich, warum mag Alix trauern? Ach sie liebt ihn nicht, den Prinzen von Kastilien, oder sie weiß, daß sie von ihm nicht geliebt wird! Ich habe Nachricht von einem vertrauten Freunde, daß Ferdinand die Prinzessin Elise einst sah, und mehr bey ihrem Anblick fühlte, als bey den Reizen des Engels, den ich anbete. Himmel! wie mag irgend ein Sterblicher die Gräfin von Toulouse sehen, und doch für eine andere noch Augen haben können?

Möchte doch der Himmel eine so übelausgesonnene Verbindung stören! Ferdinand fühlt nichts für Alix, sie nichts für ihn, was kann daraus entstehen! – Möchte man doch Ferdinanden seine Elise geben, und mir meine Geliebte[170] lassen. Man soll, (hast du nichts davon gehört?) am kaiserlichen Hofe sehr darauf denken, eine Prinzessin zur kastilischen Königin zu machen; was man sich doch für Mittel bedienen wird, diesen Entzweck zu erreichen?

Wie, wenn ich Philippen einen Ritterdienst erzeigte, und die Gräfin von Toulouse entführte, daß seine Tochter auf dem kastilischen Throne Raum hätte!

Alverde, ich hoffe, du glaubst nicht, daß diese Dinge mein Ernst sind; du könntest etwa heimliche Anschläge auf die Gräfin argwohnen, und da du meiner Liebe so entgegen bist, Gegenvorkehrungen zu treffen. – Dies wär lächerlich! Alverde, wahrhaftig, dies wär sehr lächerlich! Unternimm nichts von solchen Dingen, wenn du einen Antheil an meiner brüderlichen Liebe behalten willst!

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 168-171.
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