Peter von Kalatin an den Unbekannten.

1207.

[163] Der Brief, welchen der sogenannte Alf von Dülmen an euch, mein gnädiger Herr, geschrieben hat, ist mehr als kühn, und verdient die Vermehrung eures Hasses; wohl euch, daß ihr nun bald im Stande seyn werdet, ihm die[163] Würkungen desselben fühlen zu lassen. Er ist jetzt zu Pamiers, und was ich gethan habe, ihn blos euch zu Liebe dahin zu bringen, das ist euch bekannt. Niemand als ich, der als Repräsentant des freyen Stuhls zu ** bey ihm den meisten Glauben findet, hätte ihn durch falsche Ladungen zu Schritten verleiten können, die er vor dem Gericht, in welchem er selbst eine so hohe Stufe bekleidet, nimmer verantworten wird.

»Sollte ich irre geleitet worden seyn« spricht er in seinem Antwortschreiben von euch – »Sollte ich irre geleitet worden seyn, so müßte man sich an Peter von Kalatin halten.« O guter Adolf, Peter von Kalatin wird den Kopf aus der Schlinge zu ziehen wissen, wenn die Sache vor unserm furchtbaren Tribunal zum Vortrag gebracht wird, und du wirst allein büßen, wozu du dich zu deinem Verderben bereden liessest. Ich hasse diesen sogenannten Alf von Dülmen jetzt mehr als jemals; euch machte ihn die schnell erlangte hohe Gewalt in unserm Zirkel zum Feinde, und mich verhetzte gekränkte Liebe gegen ihn. Er schlug mir zu wiederholten malen seine Schwester unter dem Vorwand ab, sie sey bereits an Evert von Remen versprochen; ich mußte mich rächen, und wie konnte ich es besser thun, als wenn ich ihn in[164] Leidenschaft gegen eine ebenfalls schon Verlobte verstrickte. Seine rasende Liebe zu der Gräfin Alix von Toulouse, von deren Vermählung an den kastilischen Gesandten ihr nun bald Zeuge seyn werdet, ließ ihn alle Schritte, zu denen wir ihn verleiten wollen, mit mehrerer Unbesonnenheit thun, als vielleicht sonst geschehen seyn würde, und sie ward noch überdem das Mittel, mir meine geliebte Alverde in die Hände zu spielen; zwar ist mir dieser köstliche Raub jetzt wieder entwischt; aber Geduld! wenn all unsere Anschläge geglückt sind, wird auch meine Liebe glücklich seyn! Ein mächtiges Hinderniß derselben ist ja schon aus dem Wege geräumt. Evert von Remen, mein glücklicher Nebenbuhler, hat nach seiner gewöhnlichen Einfalt und Voreiligkeit all seine Habschaft in Geld verwandelt, und ist nach dem heiligen Lande gezogen; sehr wohl! Das Glück hat gut zwischen uns entschieden, ihm gab es das Kreuz, und mir bewahrt es die schöne Alverde auf.

Verzeihet, gnädiger Herr, ich thue Unrecht, euch mit meinen Angelegenheiten zu unterhalten, ja noch mehr, ich begehe vielleicht eine Thorheit, dem Heimlichkeiten anzuvertrauen, welcher so leicht auszulocken ist! – O der Graf von Segni! der Graf von Segni! Eure beyden Augen hättet ihr ehe verlieren, als diesem trauen[165] sollen! Daß ich doch zu spät kam, euch zu warnen! Wie war es doch möglich, einen so helldenkenden scharfsichtigen Geist, wie den eurigen zu täuschen! – Ich in meiner Schwachheit habe ähnlichen Versuchungen, denen auch ich ausgesetzt war, nie untergelegen, doch ich entging vielleicht der Gefahr dadurch am sichersten, daß ich nie eingeständig war, Antheil an verborgenen Dingen zu haben; wie sollten die Räuber in der Hütte des Mannes von kundbarer Armuth Schätze suchen!

Das fatalste bey der ganzen Sache ist das, – erlaubt mir es zu sagen – unüberlegte Geständniß gegen Alf von Dülmen, das der Graf von Segni euch abgelockt hat. Wozu dieses? habt ihr eurem Gegner nicht damit die Waffen, euch zu schaden, in die Hände gegeben? – Ich kann mich hierin in der That nicht in euch finden, gnädiger Herr! Die Angst über die abgedrungenen Geheimnisse muß euch zum Geständniß eurer Schuld, gleich gegen den ersten den besten, der euch in den Sinn kam, gereizt haben, wie es denn weiche Seelen giebt, die die kleinste Gewissenswunde nicht schnell genug durch Beicht und Absolution zu heilen wissen. Ey Lieber, wenn ihr beichten wolltet, warum mußte denn Alf von Dülmen euer Konfessor seyn? gab es keinen treuern Kalatin in der[166] Welt, welcher euch Trost und Lossprechung nicht versagt, und euch wohl noch eine Warnung angehängt haben würde?

Wißt ihr, worin sie besteht? – Ihr schreibt in der Kopie eures Briefs an den von Dülmen, da so etwas von Verbrechen Kaiser Philipps, welche vor das heimliche Gericht gezogen werden sollten; ich bitte, nehmt euch hier wohl in Acht, kommen die Denunciationen von dem Grafen von Segni, so sind sie verdächtig. – Man trachtet den Geheimnissen unsers Bundes nach, das ist offenbar; man beneidet uns unsere unumschränkte Gewalt, will sie uns vielleicht entreissen, wie könnte das leichter geschehen, als wenn man unsere Unfehlbarkeit verdächtig machte? wenn man unsere Gerechtigkeit statt der Binde gefärbte Gläser vor die Augen legte, und sie zu falschen Urtheilen verleitete? –

Noch einmahl, nehmt euch in Acht, denn könnte es nicht auch möglich seyn, daß eine fremde Macht Philipp den Kaiser haßte, und durch unser Schwerd auszuführen suchte, was sie sich selbst nicht zu handhaben getrauet?

Was mich anbelangt, ich hasse Alf von Dülmen herzlich, weil ich Alverden liebe, ich wünsche seinen Untergang, theils weil seine Größe meinen Stolz beleidigt, theils weil es hier und da einige giebt, die ihn ebenfalls gern[167] gedemüthiget sehen möchten, und mir meinen Beytritt in ihren Anschlägen gut bezahlen. Aber der Göttin, deren Diener wir alle sind, der unsichtbaren Themis werde ich ewig treu und gewärtig bleiben, und bis auf den letzten Hauch meines Lebens sey es mein liebstes Geschäft, an der Unerschütterlichkeit ihres Throns zu arbeiten. Ungeachtet ich bedürfenden Falls es für gut halte, sie gar nicht zu kennen, wohl gar gelegentlich auf ihre Diener zu schmähen; Dinge, womit ich ihr sicher die treusten Dienste leiste.

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 163-168.
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