Alf von Dülmen an den Pfalzgrafen Otto.

1207.

[186] Kann ich die Hand verkennen, welche mich aus dem Kerker, dem Tode aus dem Rachen riß? Es war die Deinige, aber soll ich dir danken für das was du thatest? In welch ein Leben hast du mich zurückgerufen! Es ist wahr, das Elend des Gefängnisses hat mein Gehirn ein wenig abgekühlt, hat mein Blut ruhiger fließen gemacht, hat mir Muße zum Nachdenken gegeben; in der Dunkelheit eines Kerkers beurtheilt man manche Dinge richtiger, als bey hellem Sonnenlichte, aber wenn ich auch das Rasende meines Betragens in Ansehung der Gräfin von Toulouse einsehe, wenn ich auch fühle,[186] zu welchen Thaten mich eine wüthende Leidenschaft beynahe hingerissen hätte, und dem Schicksal danke, daß es mich bey so viel Abgründen vorüber führte, macht dies meine Lage glücklicher? Alix ist und bleibt dennoch für mich verlohren. Mit dem Tage, der sie zur Königin von Kastilien macht, stirbt für mich jede Hoffnung auf Glück. Noch irgend eine Freude auf der Welt zu erwarten, würde für den, welcher so niedergedrückt ist als ich, lächerlich seyn.

Du schreibst, an dem kaiserlichen Hofe könne Glück für mich blühen, die jüngere Schwester deiner Verlobten, die Prinzessin Beatrix sey noch nicht so fest für den Herzog von Braunschweig bestimmt, daß sich nicht Aenderung hoffen ließ, sie habe dir den wahren Namen ihrer Freundin Alverde und ihres Bruders abgefragt, habe mein Bild bey dir gesehen, und vortheilhaft von mir gesprochen; alles gute und schöne Dinge, welche mir fast dasjenige wieder ins Gedächtniß rufen könnten, was mir einst meine Schwester in voller Angst über meine Anschläge auf die Gräfin von Toulouse schrieb; – mir helfen im Grunde all diese Hoffnungen nichts; und wär Beatrix noch zehnmal schöner, als sie seyn soll, und wär sie, statt die Tochter eines Kaisers zu seyn, selbst Kaiserin, und brächte sie mir mit ihrer Hand Kron und[187] Thron, die angebetete Alix würde sie mich doch niemals können vergessen machen. –

Doch ich fühle das Gewicht deiner Rathschläge, ich muß mich herausreißen, muß Pamiers verlassen, und meinen Gedanken, wär es auch nur zum Schein, eine andere Beschäftigung geben, damit ich die Königin von Kastilien vergesse.

O Otto, du weißt nicht, wie weit meine Leidenschaft für sie gegangen ist, so weit, daß sie mich die Pflichten der Freundschaft vergessen machte; mir kam etwas zu Ohren, als könnte man willens seyn, der Gräfin von Toulouse die ihr so lang bestimmte kastilische Krone zu entziehen, und sie einer andern, die dem Königreiche mehr Nutzen brächte, zuzuwenden; diese Andre, versicherte man mich, könnte wohl Kaiser Philipps Tochter, deine Elise seyn; und solltest du es wohl glauben, daß ich mich freute, dich zum zweytenmal deiner Verlobten beraubt zu sehen? nicht etwa weil dies dich unglücklich machte, sondern weil es meinen Hoffnungen auf Alix mehrere Wahrscheinlichkeit gab. In dem Taumel, in welchen ich damals war, glaube ich im Stande gewesen zu seyn, dir deine Braut mit eigener Hand zu entreißen, und auf den kastilischen Thron zu setzen, nur daß Alix mir geblieben wär. – Gott lob, daß die[188] blinde Raserey der Leidenschaft vorüber ist, welche nichts auf Freundschaft und Billigkeit achtet, nur auf eigenen Nutzen sieht.

Jetzt habe ich schon wieder gelernt, auf den Gedanken mit Entsetzen zu blicken, daß Philipp dich zum zweytenmal verrathen könnte; o Otto, wenn dieses möglich wär! traue ihm nicht zuviel, ich habe Dinge von ihm gehört, welche mich schaudern machen! Auf jeden Fall sorge, daß Elise bald dein Eigenthum werde, so lange sie noch in der Gewalt ihres wankelmüthigen Vaters bleibt, kannst du nicht gewisser auf ihren Besitz rechnen, als auf ihre Schwester Kunigunde. Der Pabst haßt dich und den Kaiser, er zittert vor dem Gedanken, die Macht des einen durch Verbindung mit dem andern gestärkt zu sehen, er wird nicht ermangeln, zum zweytenmal zu stören, was er weder dir noch ihm gönnte. Glaube nicht, daß ich dich mit bloßen Muthmaßungen unterhalte, sobald ich bey dir bin, will ich dir Beweise auflegen.

Bald, bald siehst du mich an dem kaiserlichen Hofe, diesen Abend noch einen Abschiedsbesuch bey meiner Schwester im Kloster, und morgen meine Abreise. Die arme Alverde, die treue zärtliche Schwester verdient durch den Anblick dessen getröstet zu werden, dessen Schicksal ihr so viel Kummer machte. Man hatte ihr[189] hinterbracht, ich sey tod; denke dir das Entsetzen der guten Seele.

Du wunderst dich über den ruhigen Ton, in welchem ich der vor wenig Tagen noch halb Wahnsinnige schreibe, du kannst nicht begreifen, daß die Kerkerluft allein diese Aenderung bewirkt habe? – Du möchtest vielleicht Recht haben. Wisse, ich bin jetzt mit mehreren Hoffnungen in meiner Liebe beglückt als zuvor, ich habe erfahren, daß die himmlische Gräfin von Toulouse sich in meinem Elend durch die dringendsten Vorbitten für mich verwendet hat; dies schmeichelt mir nicht allein mit dem Gedanken, daß ich ihr nicht gleichgültig bin, sondern es bringt mir auch noch andre Möglichkeiten in den Sinn. Sie hat durch ihre Gnade gegen mich, welcher man einen höhern Namen giebt, als ich für wahr halten kann, den Haß der Kastilier noch mehr auf sich geladen, ihre Einsegnung mit dem kastilischen Gesandten wird verschoben von einem Tage zum andern, sie werden sie nimmer zu ihrer Königin machen; sie sinnen nur darauf, wie sie das Band mit guten Schein brechen, und die Heyrathswerbung um deine Elise anspinnen wollen; das letzte soll ihnen, so Gott will, fehlschlagen, aber das erste bringt die schöne Alix in meine Arme. Auf die erste Bewegung, die man macht, sie ihrem Bruder zurück[190] zu schicken, – und dies muß geschehen, ehe man mit Anstand die Werbung um die kaiserliche Prinzessin einleiten kann – auf den ersten Wink, den mir Alverde, mit der ich einverstanden bin, hievon giebt, habe ich Recht, die Verstossene in meine Arme aufzufassen. Hier ist die Rede weder von Entführung noch Gewaltthat. Ganz ruhig, und vor den Augen der ganzen Welt bringe ich sie nun in die Arme ihres Bruders zurück. Die Lage des Grafen von Toulouse ist bedenklich, der Schutz, den er den Waldensern in seinen Landen gönnt, reizt allgemach den Zorn des Pabsts, man sagt, der tapfre Graf Simen von Montfort rüste sich mit mehreren Tausenden, einen7 Einfall in die durchächtete Grafschaft zu thun; dies ist gerade so ein Gegner für mich. Der Graf von Toulouse wird Alf von Dülmens Schwerd brauchen können, und ihm denn, wenn er sich ihm als Graf Adolf von *** zu erkennen giebt, seine Schwester nicht versagen.

Siehe, Otto, dies sind meine Plane und meine Hoffnungen, sie haben mich aus der Tiefe der Verzweiflung herausgerissen, ein Unglück[191] für mich ists, daß diese Dinge Zeit brauchen. Verlaß dich darauf, ich komme nach Hofe, um die große Crise abzuwarten; meine Schwester, Alverde bleibt hier in der Verborgenheit ihres Klosters, und wacht für alles.

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 186-192.
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