Beatrix an Alverde.

1207.

[152] Dank dir, meine Freundin, für die offenherzige Darlegung deiner Geschichte, die dich in[152] unser aller Augen rechtfertigt, und dir den Namen eines entführten Fräuleins, der bey meiner Mutter nicht im besten Ansehen ist, völlig erläßt. Die Kaiserin findet viel abentheuerliches an deinen Begebenheiten, sie bedauert dich, unter der Gewalt eines Bruders gestanden und von seinen Grillen abgehangen zu haben, der wie es scheint, keine allzuvortheilhafte Meynung in ihr erregt; was ich von der ganzen Sache, was ich besonders von ihm halte, das ist freylich ein wenig verschieden von dem Urtheil meiner Mutter, wie denn die Urtheile junger und bejahrter Personen es immer sind.

Anstatt deinen Bruder zu hassen, oder schlecht von ihm zu denken, schätze und bewundre ich ihn; es ist so etwas großes in den Unbegreiflichkeiten, die sich in ihm finden, die Verborgenheit seines und deines Namens dient meiner Phantasie zum unterhaltenden Spiel, sie reizt meine Neugier, und doch ists als möchte ich das Geheimniß nicht gelößt sehen, Graf Adolf hat mehr Interesse für mich, so lange ich mir von ihm denken kann was ich will, als wenn man mir ihn als einen der größten Fürsten der Welt bekannt machte. Und denn die heimliche Gesellschaft, zu welcher er sich zählt, mit dem großen Namen, die Richter Gottes! – Ich glaube Kalatin nichts von dem Bösen, was[153] er diesen Leuten nachsagt, muß denn hinter jeder Heimlichkeit etwas verdächtiges verborgen liegen?

Meine Schwester Elise scherzt mit mir, daß ich seit deinem letzten Briefe von nichts zu reden weiß, als von Graf Adolf dem Unbegreiflichen. Ich weiß wohl, was mich so zu ihm hinreißt, aber niemand als dir, meine Schwester Alverde, möchte ich es gestehen, und doch merke ich, auch gegen dich, meine Vertrauteste, kostet es mir Ueberwindung, mich zu erklären, wenn ich nicht meiner Feder gebiete, ohne Ueberlegung hinzuschreiben, was ihr Wahrheit und Offenherzigkeit diktiren.

Alverde, ich weiß wen dein Bruder liebt, kenne die Dame, deren Bild dich und ihn so entzückte, daß es von euch wahrhaftig mit übertriebenen Lobeserhebungen beehrt wurde. Ich kenne die Glückliche, die in der Folge deine Freundin ward, und die es bleiben würde, und wenn du auch deinen Vorsatz brächest, und ihr die kühnen Wünsche deines Bruders geständest. – Warum kühn, meine Alverde; ist dein Bruder auch nicht ganz der große Fürst, für den ich ihn halte, o es giebt Prinzessinnen genug, die sich um Liebe Willen eine Stufe herabsetzen; und was meine Verlobung betrifft –[154]

Gott, was habe ich gesagt! – Alverde, das Geheimniß ist heraus! Ich weiß es, Beatrix von Schwaben ist die Dame, die deines Bruders Herz gerührt hat, alle Umstände, die du angiebst, passen auf mich und auf keine andre, je öfter ich deinen Brief lese, je gewisser werde ich hievon, aber laß dich von nichts irren; meine Verlobung an den Gegner meines Vaters, an Herzog Otten, ist noch nicht auf die entfernteste Art eingeleitet, geschweige geschlossen, und was das sogenannte Gift der waldensischen Lehre anbelangt – Alverde, du weißt, was wir alle viere, du, Alix, meine Schwester und ich davon halten, und ich, überhaupt nicht sonderlich aufgelegt zu ernsthaften Dingen, bin noch vielleicht diejenige unter euch, die sich am ersten eines andern belehren ließ. Gleicht dein Bruder, wie du uns einmal sagtest, dir von Gesicht, und dem Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach von Gestalt, so werde ich ihn lieben, und was wird der, den ich liebe, nicht aus mir machen können!

Himmel was habe ich dir alles geschrieben! Geschwind will ich es schließen, ich stürbe vor Beschämung, wenn es außer dem treuen Auge der Freundschaft jemand erblickte. Laß es weder von Sonne noch Mond bescheinen, sondern wenn du es gelesen hast, so opfre es augenblicklich[155] den Flammen, daß mein Geheimniß nur in deinem Herzen existire. – Es beschämt und beunruhigt mich in der That nicht wenig, daß ich vor meiner Mutter und meiner Schwester, denen ich nie etwas verschwieg, eine Heimlichkeit haben soll, aber meine Mutter hat nichts im Sinn als ihren Herzog Otto, bey dessen Namen mich immer ein Schauer befällt, weil mirs immer ist, als flüsterte man mir ins Ohr: du wirst nicht acht Tage leben, wenn du seine Gattin wirst. Was Elisen anbelangt – o die ist so glücklich in ihrem Wittelsbach, daß sie kein Mitleiden für die Gefühle andrer haben würde, und daß ich also auch gegen sie schweigen muß. – Sie kann sich selig preißen; die Stelle in dem Herzen des vortreflichen Pfalzgrafen, die eine andre einnahm, hat ihr das Glück, sie weiß selbst nicht wie, geräumt, er vergießt bey ihr Kunigunden völlig, und kann sie leicht vergessen, denn Elise ist besser und schöner, als die nunmehrige Gemahlin des päbstlichen Nepoten, aber ist nicht Beatrix auch gut und schön? hatte sie nicht auch Gefühl für die Vorzüge des Grafen von Wittelsbach? und doch mußte sie zurückstehen, doch gebot ihr die strenge Mutter, ja keinen ihrer Vorzüge vorleuchten zu lassen, damit es ja bey dem Pfalzgrafen gar nicht zur Wahl käme, damit sein Auge ja[156] gleich allein auf der, welche man ihm bestimmte, haften bliebe.

O Alverde, diese Dinge marterten mich ungemein, ehe ich wußte, daß Graf Adolf mich liebt, jetzt bin ich mit allem ausgesöhnt, bin fest entschlossen, der fatalen Staatsheirath auszuweichen so viel ich kann, und keines andern zu seyn, als der mich aus freyer Wahl liebte; warum soll ich unter meinen Schwestern allein die Unglückliche seyn? warum will man mich allein aufopfern, da man die andern nach ihrem Wunsch und Willen vergiebt? Glaube mir, ich habe es an der kastilischen Braut genug gesehen, welch ein elendes Ding es ist, wenn man so einer trübseligen Verbindung entgegen schleicht, wie mir aufbehalten wird; Alix hatte doch bey ihrem Elend noch einen Trost, ihre Bücher, was aber würde ich haben, die bey der Unterhaltung mit den Todten nie die lebende sichtbare Welt zu vergessen vermochte?[157]

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 152-158.
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