Beatrix an Alverde.

1208.

[197] Dein Alf von Dülmen, den ich nun aber schon längst nach seinem wahren Namen, und eben so lang nach einem Bilde von ihm, das mir der Pfalzgraf zeigte, kenne, der Bruder meiner Alverde ist hier angekommen, aber Gott, welch ein Mann gegen die Vorstellungen, die ich mir nach allen Umständen von ihm machen mußte! Können so schöne Züge durch ein innerliches Etwas so entstellt werden? und was mag das Etwas seyn, das in seinen Innern gährt?

Nein Alverde, dein Bruder hat den Eindruck nicht auf mich gemacht, den ich geglaubt hätte, als ich ihn nur noch von Hörensagen, als ich ihn nur noch aus jenem geschmeichelten Bilde kannte; statt ihn zu lieben, fürchte ich ihn. Auch in seinem Betragen herrscht eine[197] gewisse scheue Furchtsamkeit, die ihn zu einem äußerst widrigen Gegenstande macht; und dieser Mann sollte mich einst geliebt haben? – Nein, er hat es nicht, das Ganze war nur eine Täuschung der Eitelkeit, welche meine Alverde mir zu benehmen nicht freundschaftlich genug dachte. Der Pfalzgraf hat es mir entdeckt, daß die verlobte Königin von Kastilien der Gegenstand seiner Leidenschaft war, den du mir verschweigest, und ich hörte diese Entdeckung mit mehrerem Kaltsinn an, als bey meinem für ihn gefaßten Vorurtheil geschehen seyn würde, hätte ich ihn ganz dem Bilde ähnlich gefunden, das ich mir von ihm machte.

Doch er mag wohl nicht immer so beschaffen gewesen seyn, als er jetzt ist, der Pfalzgraf versichert mich, daß er ihn selbst kaum mehr kenne, daß er ihm ganz fremd geworden sey, fremd auf alle Art; denn bey der großen Vertraulichkeit, die von je her unter ihnen herrschte, hat er noch zu keiner Privatunterredung mit ihm kommen können; Wittelsbach behauptet, es müßte etwas ganz außerordentliches in seinem Innern arbeiten, aber dieses zu entdecken, ist keine Möglichkeit, da er ihn auf das sorgfältigste flieht.

Alverde, fast möchte ich anfangen deinen Bruder zu bemitleiden! sollten dies vielleicht[198] noch Ueberbleibsel der Rasereyen um Alix seyn? O der schöne herrliche Mann! daß die Liebe ihn so zu Grunde richten mußte! Möchte sie ihm doch die ausgestandenen Leiden auf andere Art vergüten! und wie glücklich wär diejenige, welche der Himmel zum Werkzeug dieser Vergütung bestimmt hätte, sie, die diesem edeln Herzen die Ruhe, dieser Stirn die Heiterkeit, dieser Gestalt ihre Würde wieder geben könnte; ach Freundin, ich weiß nicht was ich denke, ich scheue, ich fürchte diesen unbegreiflichen Mann, deinen Bruder, und doch ist wieder mein Mitleid gegen ihn so zärtlich, daß ich im Stande wär, ihm alles zu verzeihen, selbst, daß er die Gräfin von Toulouse liebte, und nicht mich!

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 197-199.
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