Der Unbekannte an Peter von Kalatin.

1207.

[194] Gott weiß, welche Hand über den sogenannten Alf von Dülmen waltet. Zweyen Schlingen ist er entgangen, in welchen wir ihn gewiß zu haben glaubten. Die Ausschweifungen, welche er aus Liebe gegen die Gräfin von Toulouse recht erwünscht beging, brachten ihn in die Gewalt des Bischofs von Kastilien. Aber ein Wink unsers leider allgemeinen Oberhaupts, des Herzogs von Sachsen, dem seine Gefangenschaft, ich weiß nicht wie verkundschaftet worden war, und ich mußte alles anwenden, ihn zu befreyen.

Hier genöthigt, meinem Feinde die Fesseln zu lösen, dachte ich ihn auf einer andern Seite desto gewisser zu fällen. Er war nicht sobald frey, als ich Sorge trug, daß die euch bewußten Klagen wider ihn in unserm heimlichen Gericht angebracht wurden, aber er vertheidigte sich so bündig, daß alle Schuld sich von ihm hinweg und auf einen andern, auf euch lenkte; die Mittel, die ihr sehr klüglich gebraucht hattet,[194] euch auf diesen Fall sicher zu stellen, schlugen nicht fehl, ihr wurdet schuldlos erklärt, aber er war es nicht weniger, und was ich noch zu seinem Nachtheil hätte thun können, war unmöglich, wenn ich mich nicht in Gefahr setzen wollte, daß er auftrat und alles entdeckte, was ihm einst von meiner erzwungenen Vertraulichkeit gegen den Grafen von Segni merken ließ.

O Kalatin, wohl hattet ihr Ursach, mir diese Unvorsichtigkeit zu verweisen! ohne sie wär jetzt unser Feind aufs wenigste seiner Stelle im heimlichen Gericht entsetzt, ich an seinem Uebermuth gerochen, und mein Bruder, der Erzbischof von Bremen, wieder im Besitz der geraubten Lande, und Alverde euer. – Ich würde ganz ohne Trost über die Fehlschlagung meiner Wünsche seyn, wenn sich nicht Hoffnung, ihn zu fällen, mir noch von andern Seiten öffnete.

Einige der Bischöfe, welche bereits zu viel von unsern Geheimnissen wissen, drangen darauf, daß die schreckliche Anklage wider Kaiser Philippen, die vorgebliche Vergiftung Erzbischof Konrads von Kölln vor den Richterstuhl gebracht werden sollte. Ich mußte einwilligen, der Graf von Segni hat mich in seinen Banden. Noch hoffte ich, die Sache sollte sich selbst zerstören, weil ich sie ganz für unerweislich hielt,[195] leider war sie es nicht; doch was könnten Bischöfe nicht beweisen!

Kaiser Philipp sey schuldig oder nicht, so machte die Sache auf die Versammlung einen erstaunenswürdigen Eindruck, und den tiefsten auf den sogenannten Alf von Dülmen, welcher, nachdem er von vorgedachter Anklage gerechtfertigt war, nun wieder seinen Sitz in der Versammlung eingenommen hatte. Der Stab ward gebrochen, das Loos über die Bluträcher geworfen, es traf, wie ihr denken könnt, den Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, und Alf von Dülmen.

Stimmen erhuben sich von allen Seiten zur Appellation, ihr wißt, Pfalzgraf Otto ist des Kaisers erwählter Schwiegersohn, und Alf von Dülmen – (wie ich den stolzen Grafen Adolf am liebsten nenne) – des Wittelsbachers bester Freund, aber es durfte keine Einwendung mehr angenommen werden, der Hahnenschrey verkündete den Tag, der Himmel graute, und die Richter gingen auseinander.

Laßt uns warten, was aus diesen großen Anlagen entstehen wird. Behauptet sich Philipps Schuld, so folgt ihm der Bluträcher, aber es ist kein kleines, einem Kaiser ungestraft den Todesstreich zu geben, so viel ich weiß, ist noch in keinem unserer Gerichte der Fall vorgekommen.[196] – Otto von Wittelsbach und Alf von Dülmen, ihr Gehaßten beyde! Wehe über euch! euer Schwerd erreiche oder verfehle sein Ziel! im ersten Fall seyd ihr der öffentlichen Gerechtigkeit als Kaisermörder, im andern der heimlichen, als Meineidige verfallen.

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 194-197.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)