Der Bischoff von Sutri an den Kardinal

Guido von Präneste.

1201.

[74] Ich höre, ihr seyd zu Kölln angelangt, die Eingriffe zu ahnden, welche Philipp durch Einsetzung eines maynzischen Erzbischofs in die päbstlichen Rechte that, und ich eile, mich gegen euch über gewisse Dinge zu erklären, welche man mir, wie ich höre, am römischen Höfe zur Last legte, ich erkenne in euch nicht allein den päbstlichen Legaten, dem ich Rechenschaft von meinem Verhalten schuldig bin, sondern auch den Freund, gegen welchen ich mich offenherziger über meine Lage herauslassen kann, als gegen andre, den Mann, von dem ich weiß, er wird das, was ich ihm sage, und sagen muß, nicht zu meinem Nachtheil gebrauchen. Hört meine kurze Geschichte, und denn beurtheilet mich nach eurem eigenen Herzen, nach dem was, wie ihr wißt, in dieser argen Welt ein jeder thun muß, der sich empor schwingen will, der sein Leben nicht im Staube zu endigen denkt.

Aus dem widrigsten unter allem Staub auf Erden, aus dem Klosterstaube hatte ich mich schon längst empor geschwungen. Ich war Bischof von Sutri, und wurde, was ihr jetzo seyd,[74] päbstlicher Legat. Ich er hielt geheime und öffentliche Aufträge nach Deutschland, wie ihr sie erhalten habt, und richtete sie hoffentlich so gut aus, wie ihr die eurigen ausrichten werdet. Ich sprach den Kaiser gerade so vom Banne los, wie mir vorgeschrieben, und alles hatte die Folgen, die es haben sollte: Zwist und Uneinigkeit entsprang, und das Reich sieht jetzt zwey Kaiser. –

Daß man, nachdem alles geschehen war, was man von mir verlangte, mir den Rücken wandte, mir keine Versprechungen hielt, die mir gethan wurden, und sich gar unter der Hand verlauten ließ: man müsse dem Bischof von Sutri wegen Kaiser Philipps heimlicher Lossprechung an den Hals; dies waren freylich Dinge, die ich hätte voraussehen sollen, da mir meine Erfahrung sagte, man pflege sich gern derer auf eine gute Art zu entledigen, durch die man heimliche Dinge ausgerichtet hat, und das Werkzeug ins Feuer zu werfen, wenn das Werk geschehen ist; Leider fanden mich diese Dinge unvorbereitet. Ich war ein Mensch, ich ward aufgebracht, und suchte, da Rache unmöglich war, meine Sicherheit.

Ich fand sie in Philipps Armen, Philipp schätzte und liebte mich, weil er aus meinem Munde zuerst die Worte der Gnade gehört[75] hatte, und ich nicht unterließ, ihm täglich zu versichern, daß meine ihm ertheilte Absolution gültig sey, und daß er sich dem Pabst und dem ganzen Kardinalskollegio zum Trotz für bannfrey halten könne. Diese Tröstungen trugen mir außer der kaiserlichen Gnade und Vertraulichkeit noch glänzende Versprechungen ein, ich traute auf sie, denn ich bedachte nicht, daß Philipp nur ein halber Deutscher ist. Ich rechnete in der Stille auf einen Fall, wie er jetzt durch den Tod des alten Erzbischofs von Maynz geschehen ist, und sah mich schon im Geist einen der ersten geistlichen Fürsten, einige Stufen näher zur dreyfachen Krone, welche doch nun einmal, – gesteht es selbst, Guido, – das Kleinod ist, nach dem wir alle mit Sehnsucht hinblicken.

Erzbischof Konrad starb, Kaiser Philipp fühlte Nothwendigkeit und Macht, an seiner statt dem Pabste zum Trotz eine eigene Wahl zu thun. Ich glaubte, der Gewählte zu seyn, alle Dinge bestättigten mich in dieser Hoffnung, und – ich ward übergangen. Ein Lüpold, ein Bischof von Wormbs begleitet die Stelle die, wenn Recht und Dankbarkeit gegolten hätten, mir zugekommen wär. Thörichter Philipp, welch eine Stütze hast du dich an mir beraubt! Wird Lüpold das leisten können, was du von[76] mir erwarten konntest? Zittre vor den Folgen deiner Wahl!

Doch dies ist nun vorüber, ich lache der Versprechungen, die man mir von neuem that, und denke auf andre Mittel zu Rache und Glück. – Guido, ich gestehe es, daß ich, durch schlechte Begegnung aufgebracht, mich vom Pabste mit meinem Herzen zum Kaiser wandte, aber ich kehre zurück. Die römischen Geheimnisse sind mir bey aller Vertraulichkeit gegen Philipp heilig gewesen, ich bringe sie unversehrt in den Schooß der Kirche zurück, noch ist nichts verlohren, und erklärt man sich mir auf eine anständigere und sicherere Art als bisher, so kann ich mich vielleicht anheischig machen, Angaben zu machen, die man zu dem großen Entzweck, Philippen zu stürzen, würksam finden wird. Ich habe bereits, um meine verneute Treue zu zeigen, einen Anfang gemacht, den nur der, welcher nicht die ganze Sache zu übersehen im Stande ist, klein und unbedeutend nennen kann.

Philipp hat an seinem Hofe einen Mann, den Pfalzgrafen Otto, den man wohl mit recht eine eherne Säule des Kaiserstuhls nennen kann, er soll sein Schwiegersohn werden; und wird es dieser Held mit dem eisernen Arme, dieser ächte Deutsche mit der festen unerschütterlichen Rechtschaffenheit, so mögen wir nun alle Anschläge[77] gegen Philipp aufgeben. Sein Feind muß der Pfalzgraf werden, wenn wir ihn stürzen wollen. Seit mein Vortheil mit Philipps Besten nicht mehr ein Ganzes ausmacht, habe ich nachgesonnen, wie man das Herz des Biedermanns von ihm abwendig machen könne, und gefunden, daß nichts, selbst persönliche Beleidigungen nicht, das bey ihm bewürken werden, was Verdacht in Philipps Rechtschaffenheit thun kann.

Der Pfalzgraf ist ein Mann, bey welchem das Herz Gold, der Verstand nur Silber ist, sein Urtheil zu täuschen, ihn morgen zu bereden, der, der ihn heute beleidigte, habe ihn eigentlich nicht beleidigt, ist leicht; aber ihn mit dem Beleidiger der Tugend auszusöhnen, ist Unmöglichkeit; dem ersten wird er gern, dem andern nie verzeihen. Dies ist der Mann, den ich Philippen rauben, und damit all mein erlittenes Unrecht rächen will, und höret, wie ich es begonnen habe.

Erzbischof Konrad starb des Todes, den mehrere Greise seiner Art gestorben sind, Kaiser Philipp ist so unschuldig an seinem Tode, wie ich an Lüpolds Erhebung zum Erzbisthum. Auch hat niemand einen Gedanken, daß er etwas wider seinen alten Lehrer, wider den gethan haben könnte, der ihn väterlich liebte. Der Argwohn, den ich zu erregen mir vorgenommen[78] hatte, ist ungeheuer, und doch gelang mir es, ihn in das trugloseste unbewachteste aller deutschen Herzen in das Herz des Wittelsbachers überzutragen. Ich bin sein Beichtiger, seit unserer letzten geistlichen Unterhaltung, glaubt er in Kaiser Philipp einen Mörder zu sehen, sein ganzes Herz empört sich bey seinem Anblicke, und wir können darauf rechnen, daß wenn auch Ueberzeugung von der Falschheit des Argwohns bey ihm endlich unvermeidlich wär, doch der zuerst ausgestreute Saame des Mißtrauens in der Folge Früchte tragen wird, die uns eine gute Erndte bringen können.

Sehet, das ists, was ich bereits für diejenige Macht gethan habe, von der ich auf einen Augenblick abtrünnig ward, und zu der ich nun auf ewig wiederkehre. Ich sage euch nur den kleinen Vortheil, den man von mir erwarten kann, die Angabe des größern behalte ich zu meiner Sicherheit zurück. Fallen die Bedingungen so aus, wie ich wünsche, so soll man mehr erfahren, so wie ich aus dem Munde des Wittelsbachers, der in den Stunden der Andacht ganz heilige unverstellte Offenherzigkeit ist, Dinge erfahren habe, auf die man in Rom nimmermehr rathen würde, und deren völlige Kenntniß von einem Nutzen seyn müßte, welchen weder wir noch unsere Nachkommen[79] übersehen könnten. – Der Pfalzgraf weiß viel von verborgenen Dingen, deren Mittheilung ich unserm Oberhaupt unter gewissen Bedingungen verspreche, aber er hat in Westphalen einen Freund, dem noch mehr von denselben bekannt ist. Ich habe Sorge getragen, daß er herüber gerufen, und mit in unser Netz gezogen werde, gebe der Himmel, daß er nicht scharfsichtiger, behutsamer und weniger andächtig sey, als der Pfalzgraf, fast fürchte ich dieses, da seine Ueberkunft sich so lange verzögert!

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 74-80.
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