Pfalzgraf Otto von Wittelsbach an Adolf,

Grafen von ***.

1200.

[71] Du verziehst deine Nachfolge zu lange, mein Freund, komm, eile zu kommen, mein Herz sehnt sich nach dir. Ich lebe hier in einer Welt, für die sich mein deutsches Herz nicht schickt. Himmel, an wen hat Bernhard von Sachsen meine Anhänglichkeit für ihn abgetreten! Hätte ich doch Kaiser Philippen und seine verführerische Tochter nie gesehen! Du weißt, wie Kunigunde anfangs mein Herz fesselte, du weißt auch, wie wenig sie bey genauerer Bekanntschaft demselben genug that. Sie ist schön, aber nicht für mich, munter und witzig, aber nur mich bey meiner Gerechtigkeit in denken und sprechen in Verlegenheit zu setzen; ich glaube sie ist mir hold, und möchte mich ungern verlieren, woher sonst ihre Bemühungen, mich wieder auszusöhnen, wenn ihre italiänischen Grillen mich einmal aufgebracht haben? gleichwohl aber scheint ihr Herz nie ganz bey mir zu seyn, und bey den unabläßigen Hinderungen unserer Verbindung ist sie so wohlgemuth, daß ich wohl deinen Scharfsinn haben möchte, aus ihr klug zu werden. Komm, mir diese Dinge zu enträthseln,[71] und mir aus neuen noch fürchterlichen Zweifeln zu helfen, die sich in mir von einer andern Seite erheben.

Gott und alle Heilige was soll ich von Philipp denken! Sollte das möglich seyn, was mir der Bischof von Sutri bey dem, was sich in diesen Tagen hier zutrug, ins Ohr raunte? Wir sind in Maynz, Erzbischof Konrad, ein leibhafter Sankt Peter, der Würde und dem Ansehn nach, ein Engel an Beredsamkeit, ein sichtbarer Heiliger, hat den Kaiser hieher erbeten, Unterhandlungen zu treffen, über die ich, der mehr vom Schwerde halte, nicht richten kann; alles fügt sich wohl, Philipp lebt und webt in seinem alten Lehrer, kann keine Stunde ohne ihn seyn, speißt mit ihm aus einer Schüssel, trinkt mit ihm aus einem Becher, und man sagt, er sey sein heimlicher Feind? Kann, kann dies möglich seyn?

Erzbischof Konrad ist tod, schnelles Todes gestorben, nach einer an Philipps Seite gehaltenen einsamen Mahlzeit; kann, kann Philipp, wie man mich bereden will, sein Vergifter seyn?

Ich bin außer mir, ich kann und darf mit niemand von diesen schrecklichen Dingen reden, Philipp kann unschuldig seyn, niemand außer mir und dem, der dieses Gift der Hölle, diesen teuflischen Verdacht in mein Herz goß, denkt[72] daran, daß Konrad eines andern Todes als des Todes hohen Alters gestorben sey; doch kann ich den quälenden Gedanken nicht los werden, alles bestättigt mich in demselben, selbst die Behändigkeit, mit welcher Philipp gleich nach seinem Tode wußte, was ihm zu thun sey, die Eil, mit welcher er einen andern, eigenmächtig an seine Stelle gesetzt hat.

Mein Herz wollte springen, ich mußte mich einer Seele vertrauen, ich schüttete meinen innern Gram gegen die einige Person aus, gegen welche ich hier am Hofe unumschränkte Achtung hege, gegen die Kaiserin Irene, die durch ächte deutsche Redlichkeit ihre griechische Abkunft so ganz verleugnet. Sie hat mit mir gesprochen, wie ein Engel. Sie bürgt mir für ihren Gemahl, wie könnte ich noch Mißtrauen in ihn setzen. Gleichwohl ist und bleibt mir hier alles zu enge; ich kann niemand ganz trauen als ihr, und ich muß fort, wenn du nicht bald erscheinst, meine Unruhe durch deine Freundschaft zu lindern; komm, wenn du kannst, unter verstelltem Namen, ich habe hiezu Ursachen, die du ein andermal erfahren sollst.[73]

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 71-74.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)