Der Graf von Segni an den Bischof von Sutri.

1207.

[121] Wir haben allerdings Ursach, euch wegen der Treue zu danken, mit welcher ihr uns gewisse Dinge gemeldet habt, welche uns nützlich werden können, indem sie uns Anlaß geben, da tiefer zu forschen, wo uns noch nicht alles enthüllt ist; ihr würdet indessen irren, wenn ihr wähntet, ihr hättet ganz etwas neues unerhörtes gethan; indem ihr uns auf jene Macht aufmerksam machtet, die durch ganz Deutschland im Verborgenen herrscht; wir haben sie an ihren Würkungen erkennen können, wenn wir auch nicht im Stande waren, wie wir vielleicht nun bald seyn möchten, ihr Inneres ganz zu zergliedern.

Die Geschichte seit Karl des Großen Zeiten ist voll von Ereignissen, die selbst uns unerklärbar waren, Verbrechen, welche in die tiefste Nacht gehüllt schienen, wurden, man wußte nicht wie, ans Licht gezogen; sie fanden ihre Vertheidiger, aber gesetzt auch, daß sie vor allen Richterstühlen losgesprochen wurden, so entgingen sie doch einen heimlichen Rächer nicht, dessen blutige Fußtapfen niemand in der Dunkelheit[121] erkennen konnte. – So wie auf der einen Seite die Strafe schnell auf jedes unablösliche Verbrechen folgte, so ward auf der andern Seite die gekränkte Unschuld, man wußte nicht wie, gerechtfertigt, Gewaltthätigkeiten wurden abgestellt, unrechtmäßiges Eigenthum seinem Besitzer entrissen, und dem wahren Eigner mit gränzenloser Macht wieder zugestellt; dieses und viel andre Dinge sahen und fühlten wir, wie hätten wir nicht längst auf das fallen sollen, wovon ihr euch stolz genug rühmt, uns den ersten Fingerzeig gegeben zu haben, und eure Forderungen derhalben bis zum Unbescheidenen ausdehnt.

Hätte uns nichts über diese Dinge, von welcher ihr zuerst die Decke genommen zu haben glaubt, die Augen öffnen können, so wär es die Geschichte des Grafen Adolf von *** die so ganz in unsere Zeiten fällt, daß wir nicht leugnen können, sie mit eigenen Augen gesehen zu haben; und blind müßten die Augen gewesen seyn, hätten sie hier nicht eine verborgene Macht entdeckt, welche alles regierte, und das Unmögliche möglich machte, stumpf müßte unser Verstand gewesen seyn, hätte er uns nicht die Möglichkeit geschildert, diese Macht könne der heiligen Kirche einst nachtheilig werden, wie[122] sie es denn z.B. in der Geschichte Graf Adolfs schon geworden ist.

Ueberlegt euch selbst diese Begebenheiten, von welchen ihr zum Theil Zeuge gewesen seyd. Der Erzbischof von Bremen, und der von Münster nebst einigen andern Herrn hatten sich in den Besitz der Güter des Vaters Graf Adolfs gesetzt, welcher sein Recht vor keinem Richterstuhle erlangen konnte, und in den Gegenden, wo er ehedem geherrscht hatte, als ein gemeiner Edelmann lebte. Er starb, und auf einmal sahen wir seinen Sohn unter dem Namen seiner Vorfahren auftreten, seine Güter wurden ihm ohne Schwerdschlag herausgegeben, denn die mächtigsten Fürsten, die selbst zum Theil ihre Ohren vor den Bitten seines Vaters verschlossen hatten, verwendeten sich für ihn, man wollte sich seiner wachsenden Größe hier und da widersetzen, aber seinen Gegnern wurden die Hände gehalten, eine allgemeine Furcht bemächtigte sich ihrer, Graf Adolf kam immer mehr empor, und würde vielleicht noch jetzt nicht zu steigen aufhören, wenn man nicht – –

Doch dieses sind Dinge, welche nicht hieher gehören, wir halten es indessen für nöthig, weil wir einmal dieses Grafen erwehnt haben, auch noch einige Worte seinetwegen zu sagen; ihr meldet in einem eurer geheimen Schreiben[123] eines Freundes, welchen Otto von Wittelsbach in Westphalen haben, und den er auf euren Wink gesonnen seyn solle herüber zu rufen; andre Schreiben sagen uns, dieser Freund nenne sich Alf von Dülmen, und werde nächstens am kaiserlichen Hofe eintreffen; uns ist daran gelegen, genau zu wissen, ob dieser Alf von Dülmen mit Graf Adolfen eine Person sey, Muthmaßung davon haben wir bereits; auf unsere Veranlassung ist Graf Adolf aus seinen Landen verlockt worden, durch Nachlässigkeit unserer Agenten ging seine Spur perlohren, aber wir glauben ihn unter den Namen Alf von Dülmen wieder in unsern Händen gehabt zu haben; die Art Leute, zu welcher er sich zählt, ist unerforschlich, wir konnten mit List und Gewalt bey weiten nicht alles von ihm erpressen, was uns zu wissen noth ist, solltet ihr hierinn glücklicher seyn, denn erst würdet ihr verdienen, was ihr schon verdient zu haben glaubt; strengt all euren Fleiß, all euren Scharfsinn an, durchzudringen, und denkt, daß der Kardinalshut euer Lohn seyn wird.[124]

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 121-125.
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