Die Kaiserin Irene an ihre Töchter.

1207.

[107] Kommt zurück, meine Kinder, in das Haus eures Vaters, eine doppelte Nothwendigkeit erfordert es. Dein Brief, Beatrix, enthält Dinge, welche mich fürchten lassen, die Gesellschaft der kastilischen Braut könne euch gefährlich werden; schon aus dieser Ursache würde ich geeilt haben, euch wieder in meine Arme zu rufen, wo kein Gift der Ketzerey eurem Glauben, keine Freyheit, die königlichen Jungfrauen nicht ansteht, eurer Tugend droht, aber es haben sich außerdem noch hier Begebenheiten ereignet, welche mir würklich eure Hülfe, besonders die deine, meine Elise, nöthig machen.

Schon längst merkte ich, daß man deinem Vater die Freundschaft des edeln Pfalzgrafen Otto beneidete, ich könnte dir von schrecklichen Versuchen, ihn von uns abwendig zu machen, schreiben, doch ich schone dein Herz, du bist zu jung, um durch frühzeitige Erfahrung von der[107] Bosheit der Menschen die Welt hassen zu lernen, in welcher du noch eine Zeit lang zu leben hast. Die neuesten Mittel die man gebraucht hat, den treflichen Wittelsbacher in unsern Feind zu verwandeln, kann und darf ich dir nicht so verschweigen, sie liegen zu klar am Tage, als daß sie verborgen bleiben könnten.

Ein Antrag vom Pabste, ein Brief, den der unschuldige Otto selbst überbringen mußte, ladet deinen Vater ein, die dem Pfalzgrafen Otto versprochene Braut, deine Schwester Kunigunde, ihm zu entreißen, und sie Graf Richarden, des Pabsts Nepoten zu geben. Kannst du die Antwort errathen, welche darauf erfolgt? – Sie heißt Ja! – O Gott! der gerühmten deutschen Treue, dem heiligen unverletzlichen Kaiserwort zum Trotz heißt sie Ja! – Der Pabst hat seine Huld zum Preis dieses Ja gemacht. – Stelle dir das Wüthen des Pfalzgrafen, stelle dir meine Verzweiflung vor!

Nach deiner Schwester Kunigunde frage nicht; sie willigt lächelnd in das was der Pabst und der Kaiser wünschen; o Beatrix, du wußtest was niemand bekannt war; ihr Herz spricht für Richarden, nur Mangel an Hoffnung diesen je zu erlangen, trieb sie in Ottos Arme, den sie nie wahrhaftig liebte. Es ist schändlich, einen deutschen Mann all diese Zeit über[108] so geäfft zu haben; und doch auf diesen Theil der ganzen fatalen Geschichte, der eigentlich meinem Herzen, das sich an Kunigundens Stelle schämt, der kränkendste ist, doch eben auf diesen baue ich die Möglichkeit, den Pfalzgrafen, den ich uns nicht rauben lassen will, aufs neue an uns zu fesseln. Es ist unmöglich, daß der stolze biedre Otto einer Person länger achten kann, die es nie redlich mit ihm meynte, auch gesteht er selbst, daß der Eindruck, den Kunigundens Schönheit anfangs auf ihn machte, durch genauere Kenntniß ihres Charakters längst geschwächt ist, daß er hier mehr über die erlittene Beschimpfung als über die verlohrne Braut zürnt, daß er vielleicht selbst die Hand von ihr zurückgezogen haben würde, wenn die Anhänglichkeit an das einmal gegebene Wort nicht die Ueberzeugung aufgewogen hätte, daß er mit einer Person von ihrem Charakter nicht glücklich seyn könne!

Auf dieses Geständniß gründe ich einen Plan, den du, meine Tochter, mir ausführen helfen sollst. Elise, zürne nicht mit deiner Schwester, daß sie deine Geheimnisse verrathen hat. Beatrix hat mir gesagt, daß du Pfalzgraf Otten liebst, komm herüber, und zeige dich ihm in allen deinen Vorzügen, er wird auch dich lieben, und durch dich unser Sohn werden. Der Kaiser, welcher den Wittelsbacher so ungern verlirt[109] als ich, er, der sich nur durch Staatsklugheit gezwungen glaubt, ihm sein Wort zu brechen, suchte ihn schon anfangs durch etwas zu beruhigen, das mich seine Einwilligung hoffen läßt. Pfalzgraf, sagte er, ich habe mehr Töchter!

Ich habe seit der Zeit mit ihm von dir gesprochen, er willigt in eure Zurückberufung, und hat mir gestanden, daß er dich vielleicht gleich anfangs für den von Wittelsbach bestimmt haben würde, hätte er deine Neigung zum Kloster nicht für entschieden gehalten, der Pfalzgraf scheint das nehmliche von dir gedacht zu haben, und aus einem meiner letzten Gespräche mit ihm, schöpfe ich die Vermuthung, daß nur die Ueberzeugung, du seyst eine Verlobte des Herrn, ehemals seine Augen von dir auf Kunigunden, (die bereits zu ihrem Bräutigam nach Rom gesandt worden ist), lenken konnte. –

Ich bitte dich, Elise, laß keinen unzeitigen jungfräulichen Stolz, keine unnöthigen Bedenklichkeiten dich vom Gehorsam ablenken, du schenkst deiner Mutter die Ruhe, deinem Vater einen wichtigen Freund wieder, wenn du den Pfalzgrafen für uns erhältst, und wie groß wird dein eigenes Glück an der Seite eines solchen[110] Mannes seyn, den du bereits liebst, und der dich, sobald er dich kennt, lieben wird.

Dir, Beatrix, habe ich nichts zu sagen, du bist klug und gutdenkend genug, zu wissen, wie du dich in Gegenwart des Mannes zu betragen habest, der für dich bestimmt ist; verspare den Schimmer all deiner Vorzüge für den jungen Herzog von Braunschweig, – (es wird mir schwer, ihm den Kaisernamen zu geben, den ihm alle Welt, deinem Vater zum Trotz beylegt) – du hasts errathen, für diesen Prinzen bist du bestimmt, und du siehst wohl, welche Vortheile die Verbindung mit ihm, uns und dem Reiche bringen wird; doch all dieses liegt noch weit in der Zukunft, er kennt dich so wenig als du ihn, Glück und Gelegenheit muß euch erst wieder zusammen bringen.

Die Jungfrau Alverde darf nicht mit euch nach Hofe kommen, ich seh es gern, wenn sie sich unter das Gefolge der kastilischen Braut begäbe, damit sie dem Kalatin ganz aus den Augen käme. Ich hasse diesen Menschen mehr als ich fast vor dem Richterstuhl der Billigkeit verantworten kann; Leichtsinn und etwas Ausgelassenheit nach Art der heutigen Hofjünglinge ist ja das einige was man noch zur Zeit auf ihn bringen kann. – Um mein Urtheil über ihn mehr zu berichtigen, wünschte ich sehr, etwas[111] von Alverdens Geschichte zu wissen. Hat sie sie euch noch nicht mitgetheilt, so veranlaßt, daß sie dieselbe schriftlich verfasse, und euch zuschicke, denn eure Abreise darf um keiner Betrachtung willen einen Tag verschoben werden.

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 107-112.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)