Die Kaiserin Irene an ihre Tochter Elise.

1198.

[63] Glücklichere Zeiten begannen uns zu lächeln. Das Joch des Banns war von des Kaisers Nacken gerissen, er athmete freyer, und konnte nun, so meynte er, mit heiterm Muth auf das Wohl des Reichs und das Glück seiner Kinder denken. O Elise, wie soll ich dir die Plane zärtlicher Eltern zum Besten ihrer Lieblinge schildern! Dir, du Heilige, die sich, wie es scheint, den Himmel zum einigen Erbtheil erwählt hat, dir weltliches Glück zu bereiten, daran dachten wir wohl nicht, aber unversorgt sollst du auch nicht geblieben seyn, die Aebtißinnen von Quedlinburg waren immer Töchter deutscher Kaiser, und du kannst also errathen, worauf man für dich dachte, und was dir auch noch nicht entgehen soll, da das Glück all deiner Schwestern gestört ist. –

Zufrieden, unsere Kunigunde mit Pfalzgraf Otten von Wittelsbach so wohl berathen zu sehen, dachten wir nun auch an unsere Jüngern. Für die dreyjährige Agnes bestimmte dein Vater den jungen König von Sicilien, und für Beatrix den wackern Herzog von Braunschweig, Heinrich des Löwen Sohn; Verbindungen, welche dem ganzen Reiche den Frieden gebracht haben würden.[63]

Die Ausführung guter Plane darf nicht verschoben werden: Kunigundens Vermählung mit dem Pfalzgrafen war so gut als geschlossen; du weißt, daß dich mein letzter Brief zum Hochzeitfest einlud. Von der kleinen Agnes etwas zu gedenken, war fast noch zu früh, doch ließ dein Vater, der jetzt auf ganz gutem Fuße mit dem Pabste steht, in einem vertraulichen Schreiben einige Worte davon fallen; und wegen Beatrix waren schon Boten an den Herzog nach Poiton abgeschickt, als wir, o Jammer! erfahren mußten, daß man eben diesen Herzog von Braunschweig, eben diesen Otto, Heinrich des Löwen Sohn, den wir verehren, den wir an unser Haus zu verbinden trachteten, zum Gegner deines Vaters macht.

Ach, Elise, du wirst es nicht aus meinem Briefe zuerst erfahren, daß es das Ansehen hat, als wollte das Reich zwey Kaiser bekommen! auch schrieb ich dir ihn nicht in der Absicht, sondern nur um die Einladung des Letzten zu widerrufen. Du kannst dir wohl vorstellen, daß man bey jetzigen Aussichten nicht an Hochzeitfeste denken darf. Der Pfalzgraf und Kunigunde bleiben vor der Hand nur Verlobte, und es ist zu verwundern, wie wohl sie sich darein schicken, besonders Kunigunde, sie scheint mehr ererfreut[64] als bekümmert über den Aufschub zu seyn; welches ich weder begreifen noch billigen kann.

O Elise! mein Herz ist gepreßt! was wollte ich darum geben, dich als meine Trösterin bey mir zu haben! – Noch hoffe ich, es wird alles gut gehen. Alle deutsche Fürsten sind auf Philipps Seite, und der Pabst, welcher hier so viel thun kann, ist sein Freund; ich wünsche, daß man, um Blutvergießen zu verhüten, die Sache seiner Entscheidung übergiebt, er wird gewiß wider den Herzog von Braunschweig und für deinen Vater sprechen.

Das ganze Unglück entspann sich durch Anstiften des Erzbischofs von Kölln, welcher die Rechtmäßigkeit der Lossprechung des Kaisers vom Banne nicht anerkennen wollte; es ist lächerlich, das bezweifeln zu wollen, wobey wir die Stimme des Pabsts vor uns haben, und ich kann nicht begreifen, warum der Beweis dieser Dinge darüber Brief und Siegel in den Händen des Bischofs von Sutri ist, so erschwert wurde, bis alles zu spät, und die Trennung im Reiche da war.[65]

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 63-66.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)