Elise von Schwaben an die Gräfin

Alix von Toulouse.

1198.

[52] Ich komme wieder in deine Arme, meine Freundin! der Glanz am Hofe meines Vaters kann Elisen nicht fesseln. Du weißt, was ich fühlte, als Philipp ehemals den Aufenthalt in meinem Vaterlande dem friedlichen Schwaben mit dem stolzen Thuscien verwechselte. Die italiänischen Herrlichkeiten behagten mir nicht, ich wählte das Kloster, in welchem ich dich wußte, und söhnte dadurch meinen Vater mit meiner Wahl aus; er, der alles Ausländische liebt, ließ sich ehe gefallen, seine Tochter zu Lion an der Seite einer französischen Prinzessin erziehen zu lassen, als wenn ich Marienzell, wo meine Base Aebtißin ist, oder ein anderes deutsches Kloster zu meinem Aufenthalt erwählt hätte; dies sind Schwachheiten, die ich als Tochter vielleicht kaum bemerken sollte; – aber wie kann ich die Augen hier vor so manchem verschließen, das mich bekümmert?

O Alix, mein Vater hat sich sehr geändert! Die Kaiserwürde kann es unmöglich allein seyn, die dieses gethan hat! – Meine Mutter, die mich immer mehr als Freundin behandelte, sagt[52] mir, Philipp habe in Welschland viel Umgang mit den Römern gepflogen; diese können wohl sein Herz verderbt haben! Eine übertriebene Freundschaft mit dem Grafen von Segni, dem nunmehrigen Pabst, hatte lange Zeit Platz genommen, sein Haus und das unsrige haben Jahrelang ein Einiges ausgemacht, man hat von nähern Verbindungen durch Vermählung einer meiner Schwestern mit einem Neffen des damaligen Grafen gesprochen, bis ein unbedeutender Wortstreit einst der Vertraulichkeit auf einmal ein Ende gemacht, und die ehemaligen Freunde in die erbittertesten Feinde verwandelt hat.

Gottlob, sagte ich, da Irene mir dieses erzählte, Gottlob, daß ein Ungefähr den deutschen Philipp von der gefährlichen Verbindung mit einem Ausländer loßriß! – O mein Kind, erwiederte sie, du sprichst wie die Erfahrung deiner Jahre es mit sich bringt. Entzweyungen dieser Art tragen bittre Früchte; man hat sich ehedem geliebt, hat sich Dinge vertraut, welche kein andrer wissen durfte, ein Nichts hat die genaue Verbindung zertrümmert, und eben darum haßt man sich desto herzlicher, man fürchtet das Andenken vergangener Dinge, man besorgt, der andere möge den Bruch rächen, und will ihm lieber zuvorkommen; so ziehen Beleidigungen Gegenbeleidigungen[53] nach sich, bis endlich Rache, die von beyden Seiten sich ziemlich rechtfertigen kann, den einen oder den andern der ehemaligen Freunde, oder vielleicht beyde aufreibt. Dein Vater hat schon längst von seinem gewesenen Vertrauten, dem Grafen von Segni, Proben rächenden Hasses erhalten, die er selbst jetzt im Kaiserstande noch nicht verwinden kann. Segni ward Cardinal, und das erste, wozu er sich seiner Würde bey Cölestin dem Dritten, bey welchen er viel galt, bediente, war die Erregung des päbstlichen Donnerkeils gegen seinen vormaligen Freund. – Philipp liegt unter dem Banne, wer soll ihn lösen? – etwa der nunmehrige Pabst? war er es nicht selbst, der dieses Unglück über ihn herabrief? O Kind! Kind! die Aeußerungen des Hasses welche zwischen deinem Vater und dem Grafen von Segni klein begannen, gehen nun zwischen Kaiser Philippen und Innozens dem Dritten ins Große, gebe Gott, das sie nicht blutig endigen!

Meine Mutter gab mir noch einige neuere Beweise von dem, was sie sagte, und ich zitterte! – Möchte doch Philipp Herzog von Schwaben geblieben seyn, möchte er doch diesen Römer und sein verführerisches Vaterland nie gesehen haben; möchte er doch wenigstens nicht Kaiser geworden seyn! Vielleicht daß wir, seine[54] Kinder, uns denn seines Lebens und seiner Vorsorge desto länger zu erfreuen hätten!

Eins tröstet mich! Die deutschen Fürsten beten ihr gewähltes Oberhaupt an; mein Vater – (Man sagt mir, ich soll ihn Kaiser nennen, wenn ich von ihm spreche oder schreibe, aber ich thue solches ungern) – Mein Vater hat wieder eine neue herrliche Eroberung an einem der deutschen Helden gemacht, den ich zuvor noch nie sahe. O meine Alix! welch ein Mann ist der Pfalzgraf Otto von Wittelsbach! Schön wie der Prinz von Kastilien, dessen Bild ich bey dir sahe, und gut, tapfer und bieder wie der Herzog von Sachsen, dessen Seite er bisher hielt, auf dessen eigene Einwilligung er sich nun eben zu meinem Vater wendet!

Laß mich aufrichtig mit dir reden, meine Freundin, der Wittelsbacher hätte machen können, daß du deine Elise nicht wieder im Kloster gesehen hättest; man spricht von einer Verbindung mit ihm, durch eine von Philipps Töchtern; er hat sein Auge auf Kunigunden geworfen, und ich fliehe. Freylich ist Kunigunde jünger und schöner als ich, aber ich fürchte, sie hat ihr Herz in Italien zurückgelassen!

Ich komme, Alix, ich komme wieder in deine Arme! Ich bringe dir noch eine Freundin mit, meine Schwester Beatrix; sie ist zwar noch[55] ein Kind, aber in wenig Jahren wird sie ganz zu deiner Freundin gebildet seyn. Unsere Mutter sieht es gern, daß ich sie mit nach Lion nehme, sie ist mit der Erziehung zufrieden, die ich in unsern heiligen Mauern erhalten habe, und wünscht für ihre jüngere Tochter die nehmlichen Vortheile; auch sieht sie sie gern von den glänzenden Scenen eines Kaiserhofs entfernt, die ein junges Herz so leicht verderben können. Was meinen Vater anbelangt, so hat er für niemand unter seinen Kindern Augen als für Kunigunden, und läßt sich also unsere Entfernung, wenn nur sie ihm bleibt, herzlich gern gefallen!

O Elise! Elise! was hast du da geschrieben? Prüfe dich, ob nicht in diesen Aeußerungen etwas Neid lauscht, Neid gegen Kunigunden, wegen Philipps und Ottos Vorliebe, welche sie doch wegen Schönheit, Munterkeit, Geist und Weltsitte so sehr verdient! – Wahrhaftig, Alix, ich fühle, es ist Zeit, daß ich in unsere heilige Einsamkeit zurückkehre. Die Kunst, mein Herz zu prüfen, mag ich wohl aus derselben mit in die Welt gebracht haben, aber die Kunst, es zu besiegen, ließ ich zurück; ich muß eilen, sie wieder zu finden.[56]

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 52-57.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)