Pfalzgraf Otto von Wittelsbach an Adolf,

Grafen von ***.

1207.

[98] Du säumst auf meine Einladung zu kommen, säumtest nun schon Jahrelang, und gleichwohl[98] habe ich Post, daß du längst dein Vaterland verlassen hast, um, wie Evert von Remen, dein Freund versichert, zu mir zu kommen; wo magst du verweilen? Ist dir ein Unglück begegnet? hat sich dein Herz gegen mich geändert? oder was ist sonst die Ursach deines Zögerns?

Die Unruhe, wegen welcher ich deine Anwesenheit so sehnlich verlangte, ist gehoben, meine gute Meynung von dem Vater meiner Verlobten ist wieder hergestellt, mag doch der Anschein wider ihn seyn, ich kann ihn nicht für schuldig halten; der Friedensengel, Irene, verbürgt sich für ihn. Also wenn du kommst, keine von den Nachforschungen, die ich dir aufzulegen dachte; Philipp muß unschuldig seyn, ich will nicht, daß mir die Augen über das Gegentheil geöffnet werden. Könnte ich meinen Vertrauten, den Bischof von Sutri, um einer Ursach willen hassen, so wär es wegen der hartnäckigen Zweifel, die er wider das was ich glauben will, einzustreuen weiß, wegen des verdächtigen Stillschweigens, das er beobachtet, wenn er sieht, daß ich seinen Reden kein Gehör geben will.

Sutri ist sonst ein treflicher Mann, um seinetwillen mußt du herüber kommen, ich habe ihm von dir gesagt, habe ihm versprochen, ihn[99] mit dir bekannt zu machen, er weiß alles von dir, nur deinen wahren Namen nicht, diesen glaubte ich ihm verschweigen zu müssen, weil ich deinen Willen nicht wußte, und aus diesem Grunde bitte ich dich nochmals, dich unter irgend einer angenommenen Benennung zu verstecken; du hast ja Schlösser und Burgen genug, nach welchen du dich, ohne die Wahrheit zu beleidigen, nennen kannst. Wird denn dein Herz zu jener Vertraulichkeit bewogen, die ich gegen ihn hege, so ists noch allemal Zeit, dich ihm zu entdecken, und diese Zeit wird, wie ich vermuthe, bald kommen. Sutri weiß einem jedes Geheimniß aus dem Herzen zu stehlen, ich selbst habe ihm mehr gesagt, als ich glaubte je einem Menschen sagen zu können, mehr als ich vielleicht gesollt hätte; doch es geschah unter dem Siegel der Beichte! – O Gott, daß alle Geistliche ihm gleichen möchten! jeder Mensch dürfte denn ohne Scheu ihnen sein Herz öffnen, aber ich komme jetzt von Rom mit neuen Erfahrungen, wie ungleiche Brüder er in seinem Stande hat.

Laß dir alle diese Dinge genauer berichten, sie sind umständlicher Erzählung wohl werth.

Als Gesandter Kaiser Philipps kam ich nach Rom. Philipp hatte eigenhändig an Sankt Peters Nachfolger ein Schreiben verfaßt, das [100] ich nicht geschrieben haben würde; es athmete nichts als Zuneigung gegen den, welchen er hassen muß, nichts als Unterwerfung gegen den, welchen er, dächte er wie ich, billig die Stirn bieten sollte; es war in aller Absicht zu süß, als daß man seinem Inhalt trauen konnte, und vielleicht ward das Mißtrauen, welches es erregte, der Grund zu einem Verfahren, das mir sonst doppelt teuflisch vorkommen würde.

Mit Entzücken laß der heilige Vater Philipps Schreiben, ich sah es ihn mehr als einmal an seine Lippen drücken, und hörte Worte von ihm, wie ich sie etwa gegen dich beym Wiedersehen, auf welches ich so sehnlich hoffe, führen könnte. Und eben dieser Mann konnte mir an dem nehmlichen Tage Anträge thun lassen, vor welchen ich zurückschaudre! Sie geschahen nicht in seinem Namen, aber wie konnte man ihn in denselben verkennen?

Himmel! man konnte es wagen, Otten von Wittelsbach, dem Verlobten der Tochter Philipps, dem Mann, der gegen ihn, er mag nun übrigens von ihm halten was er wolle, die Pflichten eines Sohnes hat, man konnte ihm zumuthen, sein Gegner zu werden, die Hand nach der Krone auszustrecken, die er trägt, den Stuhl noch mehr zu untergraben, der ohnedem nur allzuoft schwankte! Es scheint, man glaubt[101] Herzog Otto sey ihm nicht genug gewachsen, oder man findet in ihm nicht das, was man erwartete, oder was sonst die Dinge seyn mögen, welche den schwärzesten aller Anschläge veranlaßten. Ich fühlte die Beschimpfung, die ich in der Zumuthung, an Philipp treulos zu werden, erlitt, und antwortete dem gemäß; ein höhnisches Lächeln war die Erwiederung meiner Rede.

Der Pfalzgraf Otto handelt sehr weislich, sagte der Mann, den man an mich abgesandt hatte, dem so treu ergeben zu seyn, der gegen ihn keine Treue kennt, und dagegen durch bittere beleidigende Aeußerungen denjenigen zu reizen, welcher sein Glück sucht und es zu befördern wissen würde. Vielleicht wird er bald einige Proben sehen, wie der Philipp gegen ihn gesinnt ist, für den er sich aufopferte.

Der Pabst war lauter Huld, als ich meine Abfertigung erhielt, in dem Briefe, welchen er mir für den Kaiser überreichte, sollte, wie er mich versicherte, alles enthalten seyn, was dem Reiche Frieden, dem Kaiser Glück, und auch mir neue Freude und genauere Kenntniß meiner Freunde bringen würde. Ich lasse es dahin gestellt seyn! dieser vielsagende Brief ist bereits an den Kaiser übergeben; außerordentliche Dinge mochte er wohl enthalten, ich sah es an dem[102] öftern Farbenwechsel auf Philipps Gesicht, und an der Miene, mit welcher er einigemal die Augen auf mich heftete. Es lag ein Zug von Mitleid in derselben, der mich beleidigte, und mich ehe aus dem Zimmer trieb, als ich es eigentlich hätte verlassen sollen. – Sollte man mich vielleicht bey Philippen zu verleumden suchen? ein solcher Streich von Rom unter dem Deckmantel der Freundschaft wär nichts ungewöhnliches; mich würde er indessen wenig rühren. Dem biete ich Trotz, der etwas nachtheiliges auf mich bringen könnte, welches den mindsten Schein der Wahrheit hätte!

Ich habe seitdem mit niemand gesprochen, auch habe ich mit niemand zu sprechen gesucht; die Sache macht nicht den Eindruck auf mich, daß ich Erläuterung ängstig suchen sollte.

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 98-103.
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