Achtundzwanzigste Erzählung.

[230] Ein Sekretär glaubt einen seiner Bekannten übers Ohr zu hauen, wird aber von diesem übertrumpft.


Als der König Franz der Erste in Begleitung seiner Schwester, der Königin von Navarra, in Paris war, befand sich in ihrem Gefolge ein Sekretär, der nicht zu den Leuten gehörte, die Gelt auf die Erde fallen lassen, ohne es aufzuheben, so daß es keinen Rath und Präsidenten, keinen Kaufmann und reichen Mann gab, den er nicht kannte und besuchte. Damals kam nach Paris auch ein Kaufmann aus Bayonne, namens Bernard du Ha, welcher sich theils Geschäfte halber, theils, weil der Civil-Richter aus seiner Heimath war, an diesen um Rath und Hülfe in seinen Angelegenheiten wandte. Der Sekretär der Königin von Navarra besuchte als guter Diener seiner Herrschaft auch oftmals diesen Civil-Richter. Als er einst an einem Feiertage wieder hinging, traf er weder ihn noch seine Frau, sondern nur besagten Bernard du Ha an, der mit einer Leier oder einem anderen Instrumente die Stubenmädchen lehrte, die Tänze von Gascogne zu tanzen. Als der Sekretär das sah, wollte er ihm einreden, daß er übel thäte, und wenn der Richter und dessen Frau es erführen, sie sehr unzufrieden mit ihm sein würden. Und nachdem er ihm so Angst gemacht hatte, daß du Ha ihn bat, nichts davon zu sagen, fragte er ihn: »Was gebt Ihr mir, wenn ich nichts wiedersage?« Bernard du Ha, der sich furchtsamer stellte als er war und sah, daß der Sekretär ihn betrügen wollte, versprach, ihm eine bessere Schinken-Pastete zu geben, als er je gegessen habe. Der Sekretär, der sehe zufrieden[230] damit war, bat ihn, ihm die Pastete am Sonntag nach dem Essen zu geben, was der andere auch versprach. Beruhigt über dies Versprechen, ging er nun zu einer Dame in Paris, welche er gern heirathen wollte, und sprach zu ihr: »Wenn Ihr es erlaubt, werde ich am Sonntag bei Euch essen; aber sorgt für nichts weiter als für gutes Brod und guten Wein, denn ich habe einen dummen Gascogner so übers Ohr gehauen, daß er das Uebrige selbst schaffen muß, und so werdet Ihr durch meine Schlauheit den besten baskischen Schinken zu essen bekommen, der je in Paris zu haben war.« Die Dame glaubte ihm das und lud noch zwei oder drei ihrer besten Nachbarinnen ein, indem sie ihnen versicherte, sie würden eine neue Fleischspeise zu essen bekommen, die sie noch nie gekostet hätten.

Als der Sonntag herangekommen war, suchte der Sekretär seinen Kaufmann auf und fand ihn auf der Wechsler-Brücke, wo er ihn zierlich begrüßte, indem er ihm zurief: »Hol' Euch der Teufel, was hat es mir für Mühe gemacht, Euch zu finden!« Bernard du Ha antwortete, daß mancherlei Leute sich schon größere Mühe gegeben hätten als er und dann doch nicht mit so guten Bissen belohnt worden wären; dabei zeigte er auf die Pastete, welche er unter seinem Mantel hatte und die groß genug war, ein ganzes Heerlager zu füttern. Darüber freute sich der Sekretär so, daß er seinen sonst so großen und häßlichen Mund so klein zusammenzog, daß man nicht hätte glauben sollen, er könne in den Schinken hineinbeißen, und indem er diesen hastig ergriff, ging er, ohne den Kaufmann mit einzuladen, mit seinem Geschenk zu seiner Dame, welche sehr neugierig war, zu erproben, ob die Gascogner Delikatessen eben so gut wie die Pariser wären. Als nun die Essensstunde gekommen war und sie ihre Suppen aßen, sprach der Sekretär: »Lasset doch diese faden Speisen beiseite, wir wollen lieber dies durstreizende Gericht versuchen.« Indem er so sprach, öffnete er die Pastete und wollte den Schinken anschneiden, fand ihn aber so hart, daß das Messer nicht durchdringen konnte. Nachdem er mehrmals vergeblich versucht hatte, überzeugte er sich, daß man ihn betrogen hatte, und daß es ein Holzschuh war, wie man sie in Gascogne trug, der angeschwärzt und dann, mit Ruß und Eisenstaub[231] vermischt, mit wohlriechendem Gewürz bestreut war. Der Sekretär war äußerst verblüfft, ebensowohl weil er von dem, den er betrügen wollte, selbst betrogen war, als weil er diejenige, der er nur die Wahrheit zu sagen dachte und wollte, getäuscht hatte; außerdem ärgerte er sich, daß er mit einer Suppe für seine Mahlzeit zufrieden sein sollte. Die Damen, welche ebenso betrübt waren wie er, hätten ihn des Betrugs beschuldigt, wenn sie nicht in seiner Miene gesehen hätten, daß er noch ärgerlicher war als sie. Nach dieser leichten Mahlzeit ging der Sekretär zornig fort; er beschloß, da Bernard du Ha sein Versprechen nicht gehalten hatte, das seine auch zu brechen, und ging zu dem Civil-Richter, bereit, ihm das Schlechteste über Bernard du Ha zu sagen; aber er kam zu spät, denn du Ha hatte dem Richter schon das ganze Geheimniß erzählt, und der sprach dem Sekretär das Urtheil, indem er sagte, daß er nun auf eigene Kosten gelernt habe, einen Gascogner zu betrügen, und als Lohn seine eigene Beschämung davon trage.

»Dies«, sprach Simontault weiter, »begegnet vielen, welche sich für überklug halten und sich dann in ihrer List verstricken. Darum ist es immer das Beste, Anderen nur das zu thun, was man sich selbst zugefügt sehen möchte.« »Ich versichere Euch«, sagte Guebron, »daß ich derlei oft erlebt habe, und daß die, welche man für Dorftölpel hält, sehr geriebene Leute überlisten; denn niemand ist dümmer, als wer sich für sehr weise hält, und niemand klüger, als wer seine Nichtigkeit erkennt.« »Freilich«, sprach Parlamente, »wer weiß, daß er nichts weiß, weiß am meisten.« »Aber«, meinte Simontault, »damit die Zeit nicht unsere Unterhaltung zu früh abschneide, gebe ich meine Stimme Nomerfide, denn ich bin sicher, daß sie uns mit ihrer Erzählung nicht zu lange aufhalten wird.« »Gut«, sagte diese, »ich werde Euch eine solche erzählen, wie Ihr es erwartet. Es ist nicht erstaunlich, meine Damen, wenn die Liebe den Prinzen und denjenigen, die an hohem Orte erzogen worden sind, die Mittel eingiebt, sich aus Gefahren zu retten, denn sie haben Umgang mit so gelehrten Leuten gehabt, daß es höchst wunderlich wäre, wenn sie irgend etwas nicht wüßten. Aber die Erfindungskraft der Liebe zeigt sich noch viel deutlicher, wenn ihre Unterthanen weniger Geist besitzen, und darum will ich Euch von einer List erzählen, die ein[232] Priester gebrauchte, welcher nichts kannte als die Liebe, denn er war im Uebrigen so unwissend, daß er kaum eine Messe lesen konnte.«

Quelle:
Der Heptameron. Erzählungen der Königin von Navarra. Leipzig [o.J.], S. 230-233.
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