Sechste Szene

[22] 1.2.3.4.

(Bühne frei)Die VorigenDer Vorige;Der Vorige;

BrigitteIsabella


Sanguinisch.


ISABELLA aus der Seitentüre kommend. Was tausend, schon da? Ich wär' gar lieber morgen erst kommen! Das is wahr, Seine Sehnsucht nach mir muß ungeheuer groß sein.[22]

HUTZIBUTZ. Bedenk', Bella, das Tratschwetter, und ich hab' neunzehn Paar Stiefel putzt!

ISABELLA. Hör' auf mit solchen Gemeinheiten!

HUTZIBUTZ. Das war eine Arbeit, ich hab' völlig Kopfweh!

ISABELLA. O freilich, so was strengt den Geist weiter nicht an!


Phlegmatisch.


AGNES am Stickrahmen. Werden der Papa nicht ausgehen heut'?

FAD im Schlafsessel schmauchend. Nein, ich hab' zu viel zu tun.


Melancholisch.


BRIGITTE aus der Seitentüre kommend. O, sind Sie da? Na, ich bin froh, mein lieber Herr Schlankel.

SCHLANKEL. Hör'n S' auf, Sie wissen, ich kann das nicht leiden, diese dummen Schmeicheleien.


Sanguinisch.


ISABELLA. Wenn sich ein Stubenmädl herabläßt, einen Kleiderputzer zu lieben, so muß dieser Überglückliche laufen wie ein Windspiel, um zu zeigen, daß –

HUTZIBUTZ. Kind, das tue ich ja so, aber mit neunzehn Paar Stiefel –

ISABELLA. Sei still, gemeiner Sklave!


Melancholisch.


BRIGITTE. Das ist heut' ein Jammer in unserm Haus!

SCHLANKEL. Das is alle Tag' der Fall in eurer Tränenbutike.

BRIGITTE. Heute besonders! Das Fräulein soll einen Mann heiraten, den sie nicht liebt.

SCHLANKEL. Was geht das mich an?


Sanguinisch.


HUTZIBUTZ. Gemeiner Sklave, hast du g'sagt? Da weiß ich nicht, ob du das Recht hast, mich so zu titulieren.[23] Du bist den ganzen Tag in der Sklaverei, ich nur bis zehne vormittags. Mich hat schon man cher Herr in der Fruh' ein' Dummrian g'heißen, und auf d' Nacht sein wir zufällig mit einem Nebel z'samm'kommen, und er hat Bruderschaft trunken mit mir.


Phlegmatisch.


FAD. Was stickst denn, Agnes?

AGNES. Hat's der Papa noch nicht ang'schaut?

FAD. Nein, ich hab' noch keine Zeit g'habt.


Melancholisch.


BRIGITTE. Der Herr von Schlankel is heut' gar kurz angebunden.

SCHLANKEL. Ich bin gar nicht angebunden, das wer'n S' gleich sehn, denn ich geh', wenn S' nicht still sein.


Sanguinisch.


HUTZIBUTZ für sich. Ich hab' s' bös g'macht. Laut. Bella?

ISABELLA bleibt, das Gesicht abgewandt, unbeweglich stehen.

HUTZIBUTZ. Hast du keinen Blick für mich?


Melancholisch.


BRIGITTE. Ein' Bitt' wird mir der Herr Schlankel doch erfüllen?

SCHLANKEL. Das is die Frag'.

BRIGITTE. Diese drei Gulden annehmen und ein gut's Glaserl Wein auf meine G'sundheit trinken.

SCHLANKEL das Geld nehmend. Wir werden sehn, wenn's möglich is.


Sanguinisch.


HUTZIBUTZ. Du kriegst heute noch ein Präsent von mir.

ISABELLA. Von dir? Du Geizhals!

HUTZIBUTZ. Sei froh, daß ich sparsam bin, ich werd' 's Geld brauchen, wenn ich dich Heirat'.


[24] Melancholisch.


BRIGITTE. Nicht wahr, dann und wann denkt Er doch ein wenig an mich? Schmeichelt ihm.

SCHLANKEL. Lassen S' mich gehn!

BRIGITTE. Der Herr Schlankel is ja gar spröd.

SCHLANKEL. Ja, ich bin ein pretioser Kerl.


Sanguinisch.


HUTZIBUTZ. Ich krieg' heut' noch, mußt du wissen, ein nobles Trinkgeld.

ISABELLA. Von wem?

HUTZIBUTZ. Von die vier Fräulein, wenn ich ihnen die Nachricht bring', daß die vier Herzgeliebten heut' von der Universität zurückkommen.

ISABELLA. Das wissen s' so schon!

HUTZIBUTZ. Alles eins, ich bring' die Kunde, und mir blüht ein Honorar. Jetzt bring' mir dem Herrn seine Kleider heraus, ich schau' derweil zum Herrn von Braus hinauf.

ISABELLA. Gut also, in Erwartung des Präsentes verbleibe ich deine anspruchslose Isabella. Adieu! In die Seitentüre ab, nachdem sie sich von Hutzibutz die Hand küssen ließ.


Melancholisch.


BRIGITTE welche früher an der Seitentüre horchte. D' Fräul'n Irene kommt.

SCHLANKEL. Meinetwegen!

BRIGITTE. Sprechen S' ihr ein wenig Mut ein!

SCHLANKEL. Wüßt' nicht, warum! Brigitte geht in die Seitentüre ab.


Sanguinisch.


HUTZIBUTZ Isabellen zärtlich nachblickend. Mehrere ziehen an deinem Triumphwagen, doch in der zahlreichen Vorspann schaust du mich für den Handigen an, denn mir allein reichst du deine Hand. Zur Mitte ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 22-25.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Vorschule der Ästhetik

Vorschule der Ästhetik

Jean Pauls - in der ihm eigenen Metaphorik verfasste - Poetologie widmet sich unter anderem seinen zwei Kernthemen, dem literarischen Humor und der Romantheorie. Der Autor betont den propädeutischen Charakter seines Textes, in dem er schreibt: »Wollte ich denn in der Vorschule etwas anderes sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber?«

418 Seiten, 19.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon