Elfte Szene

[111] 1.2.3.4.

Braus, SchlankelFad,IreneFroh,

(als bramarbasierenderdann(allein)Marie

Abenteurer verkleidet),Agnes

später Edmund


Sanguinisch.


MARIE tritt zur Mitte ein.

FROH. Du, Marie, hast den Bräutigam schon g'sehn?

MARIE. O ja! –

FROH. Wie g'fallt er dir denn?

MARIE. Gut, sehr gut! Papa, ich bin Ihnen sehr verbunden für diese Wahl! Zur Seite ab.


Cholerisch.


BRAUS vom verkleideten Schlankel verfolgt. Herr, jetzt hab' ich's satt, gehn Sie mir vom Leib!

SCHLANKEL. Nein, ich gehe Ihnen auf den Leib, Sie haben mich an der Ehre gekränkt, das fordert Blut!

BRAUS. Lassen Sie mich ungeschoren!

SCHLANKEL. Nein, das kann nicht sein, denn Sie haben meine Ehre auch nicht ungeschoren gelassen.


Sanguinisch.


ROH allein. Der g'fallt ihr!


[111] Cholerisch.


BRAUS. Was ich Ihnen getan, ist so viel als nichts!

SCHLANKEL. Sie haben mich in der Weinstube auf den Stiefel getreten, das hat mich an meiner Ehre gekränkt.

BRAUS. Steckt denn Ihre Ehre in dem Stiefel?

SCHLANKEL. Ja, denn ich stecke im Stiefel, und die Ehre steckt in mir, folglich steckt sie auch im Stiefel so gut als ich.


Phlegmatisch.


FAD in die Seitentüre rufend. Tochter!


Cholerisch.


BRAUS. Ich habe Ihren Fuß unter dem Tisch gar nicht bemerkt.

SCHLANKEL. Diese Achtlosigkeit gegen meine Person war schon Beleidigung, Sie müssen sich schlagen!


Melancholisch.


IRENE schreibend. Solche Schläge treffen hart!


Cholerisch.


BRAUS. Ich lasse Sie augenblicklich von meinen Leuten hinunterwerfen!

SCHLANKEL. Da klammere ich mich fest an Ihnen, und Sie fliegen mit!

BRAUS. Was wollen Sie denn aber ins Teufelsnamen?

SCHLANKEL. Nichts als Ihr Blut!


Sanguinisch.


FROH allein. Ein trauriger Gusto, was das Madl hat! Geht kopfschüttelnd auf und nieder.


Cholerisch.


SCHLANKEL. Die Ehre ist die feine Wäsche, in welche sich die Seele des Gebildeten kleidet, drum muß so eine Ehre auch fleißig gewaschen werden, das geht aber nicht mit Wasser und Seife, nur mit dem Blut des Beleidigers wäscht man die Ehre rein.[112]

BRAUS durch Schlankels imponierende, bramarbasierende Haltung immer mehr in die Enge getrieben, für sich. Verfluchter Handel! Laut. Ich bin zu alt zu einem Duell.

SCHLANKEL. Ist nicht meine Schuld, warum haben Sie mich nicht vor zwanzig Jahren beleidigt? Übrigens wäre das gar nicht möglich gewesen, weil ich noch ein Bube war. Mit einem Wort, es gibt keine Ausrede, hier sind Pistolen! Zieht zwei Pistolen aus der Tasche.

BRAUS für sich. Verdammt! Wie werd' ich den Kerl los?

SCHLANKEL. Ich trage immer zwei geladene bei mir, damit ich sie gleich bei der Hand habe.


Phlegmatisch.


FAD wie oben. Tochter!


Sanguinisch.


FROH mustert einige Galanteriesachen, die er in einem Karton mitgebracht.


Cholerisch.


SCHLANKEL. Wählen Sie! Hält ihm die Pistolen hin.

BRAUS. Nein, sag' ich!

SCHLANKEL. Herr, wenn Sie sich weigern, so schieß' ich Sie nieder wie eine Wachtel! Geht auf ihn los.

BRAUS. Der Kerl ist rasend! Heda, Leute! Herbei! Zu Hilfe!

EDMUND tritt zur Mitte ein. Was geht hier vor?

BRAUS. Der Mensch will mich umbringen!

SCHLANKEL. Weil er sich nicht schlagen will.


Phlegmatisch.


AGNES von der Seite. Sie haben geruft, Papa?

FAD. Hast'n schon g'sehn?

AGNES. Ja!


[113] Cholerisch.


EDMUND nachdem er mit Schlankel ein Zeichen des Einverständnisses gewechselt hat. Herr von Braus, Sie haben recht, wenn Sie das Duell vermeiden, Sie sind zu aufgeregten Gemütes, und zur Pistole gehört sich Kälte und eine ruhige Hand. Ich mache mir ein Vergnügen daraus, statt Ihnen dem Bramarbas eine derbe Lektion zu geben. Zu Schlankel. Ihnen ist's doch gleich, ob Sie sich mit mir oder mit dem Herrn schlagen?

SCHLANKEL. Ganz egal, die Beleidigung fordert Blut, das des Beleidigers oder dessen Stellvertreters, alles eins!

EDMUND. So kommen Sie, mein Herr!

SCHLANKEL. Ins Gehölz außer dem Wall. In fünf Minuten sollen Sie die Todeswunde ober dem vierten Westenknopf empfinden. Blut, das sei die Losung! Mit Edmund durch die Mitte ab.

BRAUS sich jetzt erst von seinem Erstaunen über Edmund erholend. Der Mensch schlägt sich für mich, und wenn ich nicht irre, so hab' ich ihn heut' vormittag geprügelt! Das ist viel, sehr viel!


Phlegmatisch.


FAD. Wie g'fallt er dir denn?

AGNES. Gut, sehr gut!

FAD. Mir nicht!


Cholerisch.


BRAUS. Hm, die kaltblütigen Leute sind doch auch zu etwas gut. – Ich muß mir das abgewöhnen, überall Händel anzufangen, denn 's wird leicht zu ernsthaft.


Phlegmatisch.


FAD. Ich muß nur schauen, wo er hin'gangen is, daß er mir keinen Skandal macht im Haus! Nur Ruhe, nur Ruhe! Geht zur Mitte ab.


Cholerisch.


BRAUS. Aber einer ist im Weinhaus gesessen, der hat gelacht über mich, wie ich gefordert wurde, den muß ich[114] koram nehmen, vielleicht ist er noch dort, der Schuft! Mit steigender Heftigkeit. Dem kann ich's nicht schenken! Zur Mitte ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 111-115.
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