Siebente Szene

[100] 1.2.3.4.

SchlafFad,Brigitte,Schlankel,

(allein)CyprianIrene, dannIsabella, dann

HutzibutzHutzibutz


Melancholisch.


BRIGITTE zur Mitte eintretend. Die Schicksalsstund' für mein armes Fräulein hat geschlagen!


[100] Sanguinisch.


SCHLANKEL zur Mitte eintretend. Ich muß nachschaun, wie's da vorwärts geht. Schaut in das Schlüsselloch der Seitentüre. Scharmant, der lamentiert ihr grad eine Liebeserklärung vor.


Melancholisch.


IRENE aus der Seitentüre eintretend. Ach, Brigitte, stell' dir vor!

HUTZIBUTZ zur Mitte eintretend. Der Schlankel läßt fragen, ob der schon verliebt ist in Ihnen, ich muß ihm die Post ins Kaffeehaus bringen.


Sanguinisch.


SCHLANKEL. Die Bella kommt!

ISABELLA aus der Seitentüre tretend. Sie sind da?

SCHLANKEL. Ja, ich bin's und bin glücklich, Ihnen endlich allein zu finden.


Melancholisch.


IRENE. Sag' Er ihm, ich werde von dem Fremden bereits bis zum Wahnsinn geliebt.


Sanguinisch.


ISABELLA. Ach, wie ich Ihnen seh', fallt mir völlig eine Zentnerlast aufs Herz.

SCHLANKEL. Das is das Wahre, schwere Herzen sind das Produkt von Liebe und Zärtlichkeit.


Melancholisch.


HUTZIBUTZ jetzt erst Brigitten gewahrend. O je, wir sprechen da so vertraut, und eine dritte Person steht da!


Sanguinisch.


ISABELLA. Ich möcht' davonlaufen, wenn ich Ihnen seh'!

SCHLANKEL. Das is schön, diese Scheuchigkeit is das Veilchen im Liebesstrauß.


[101] Melancholisch.


IRENE. Die wird den Plänen ihres geliebten Schlankels nicht entgegentreten.

HUTZIBUTZ. Wie? Sie liebt, diese dritte Person?

BRIGITTE. Ach!

HUTZIBUTZ. Den Schlankel? Und wird ihn auch heiraten, diese dritte Person?

BRIGITTE. Ach!

HUTZIBUTZ. Das ist ein Trost für mich!


Sanguinisch.


ISABELLA. Wenn ich bedenk', wie ich an dem armen Hutzibutz handle, so komm' ich mir wie eine Verbrecherin vor.

SCHLANKEL. Das is gut.


Melancholisch.


HUTZIBUTZ. Jetzt bin ich wegen dem Schlankel beruhigt und wegen der Bella beruhigt, ich gehe mit doppelter Beruhigung ab. Zur Mitte ab.


Cholerisch.


SCHLAF im Schlaf. Scharmanteste Braut!


Phlegmatisch.


FAD zur Mitte eintretend, Cyprian folgt. Nein, wie das einen Menschen hernimmt, wenn man so drei Viertelstund' in einem fort spazieren fahrt! Sinkt in den Lehnstuhl. O, himmlischer Schlafsessel!

CYPRIAN. Euer Gnaden, der Bräutigam is schon da!

FAD. Hab' jetzt keine Zeit, davon Notiz zu nehmen.

CYPRIAN. Er is wieder fortgegangen.


Melancholisch.


BRIGITTE zu Irenen. Mit Ihnen wird alles noch gut ausgehn, aber ich unglückliche hoffnungslos Liebende!


[102] Phlegmatisch.


FAD. Gib einmal ein' Ruh'! Cyprian geht zur Mitte ab, Fad schläft ein.


Sanguinisch.


ISABELLA. Ich bin verliebt in Ihnen, aber ich kann mich nicht recht g'freun drüber, weil ich weiß, wie sich der Hutzibutz kränken wird.

SCHLANKEL. Das is ja aber gerade der Sucus dabei!

ISABELLA. Ach, gehn S', wie könnt' ich denn so schadenfroh sein?

SCHLANKEL. Das muß sein, die Würze jeder Freude is ja die Dosis Schadenfreude, die dabei ins Spiel kommt. Hab' ich ein Geld, so g'freut's mich, aber das Pikante daran is, daß andere kein Geld haben. Hab' ich eine Equipage, so g'freut's mich, aber das Interessante dabei is, daß andere z' Fuß gehn müssen. Hab' ich eine Geliebte oder ein Weib, so g'freut's mich, aber die Pointe is doch das, wenn mich andere drum beneiden. Drum, eine Geliebte, die nicht einen andern sitzen laßt wegen mir, so daß sich der andere halbtot kränkt, die könnt' mich gar nicht glücklich machen.

ISABELLA. Aber Sie sind ein schlimmer Mann, Sie!


Melancholisch.


BRIGITTE geht zur Mitte ab.


Sanguinisch.


SCHLANKEL. Alles eins, jetzt laß uns aber unsere Liebe durch einen Kuß manifestieren.

HUTZIBUTZ zur Mitte eintretend, stutzt. Ich hab' dich im Kaffeehaus g'sucht und nicht g'funden.

SCHLANKEL. Das is natürlich, weil ich da bin.

HUTZIBUTZ. Du hast aber g'sagt –

SCHLANKEL. Daß ich ins Kaffeehaus geh', das g'schieht jetzt. Geht zur Mitte ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 100-103.
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