Fünfzehnter Auftritt


[669] Ultra. Sigmund. Willibald.


ULTRA. Das Weichbild im Rücken? das ist ein hartes Urteil.

WILLIBALD. Was liegt Ihnen denn so viel an Krähwinkel?

ULTRA. An Krähwinkel gar nichts, aber alles an dieser unbekannten Dame, die mich ganz damisch macht, wie sie g'sagt hat, »Sie sind mein Mann«, merkwürdig, wie mich da alle Wonnen des Eh'standes durchschauert haben. O er hat nicht unrecht, jener populäre Philosoph, wenn er sagt, daß das Sein, nur ein Begriffsaggregat mit markierten elektro-magnetisch-psychologisch-galvanoplastischen Momenten ist.

WILLIBALD. Ihr Zustand scheint bedenklich! Was wollen Sie tun?

ULTRA. Den Bürgermeister stürzen, und auf den Trümmern[669] der Tyrannei den Krähwinklern einen Freiheitsdom, und mir einen Hymentempel bauen, das ist gewiß eine schöne Unternehmung.

SIGMUND. Ich soll Ihnen aber auf Befehl Sr. Herrlichkeit, und Sie wissen – bei uns steht immer die Existenz auf dem Spiele, – einen –

ULTRA. Einen Laufpaß geben. Sagen Sie, Sie haben's getan –

SIGMUND. Aber zu meiner Legitimation –

ULTRA. Tragen Sie geschwind das Nötige ein in Ihr Buch.

SIGMUND sich zum Schreibtisch setzend. Name? –

ULTRA. Eberhard Ultra. –

SIGMUND. Geburtsort? –

ULTRA. Deutscher Bund –

SIGMUND. Alt? –

ULTRA. Vierthalb Monate. –

SIGMUND. Was? –

ULTRA. Keine Stunde älter, so alt ist die Freiheit, das übrige rechne ich für nichts.

SIGMUND. Augen? –

ULTRA. Dunkel, aber hellsehend –

SIGMUND. Nase? –

ULTRA. Freiheitsschnuppernd. –

SIGMUND. Mund? –

ULTRA. Wie ein Schwert. –

SIGMUND. Statur? –

ULTRA. Mittlere Barrikadenhöhe.

SIGMUND. Besondere Kennzeichen? –

ULTRA. Unruhiger Kopf –

SIGMUND. Charakter? –

ULTRA. Polizeiwidrig! Jetzt haben Sie alles. Zu Willibald. Und jetzt sagen Sie mir, wie kann ich dem Bürgermeister hinter seine Regierungsschliche kommen? denn ich möchte vorläufig mit List gegen ihn operieren, bis es Zeit ist zum Gewaltstreich. Wem schenkt er sein Vertrauen?

SIGMUND. Niemanden als dem geheimen Ratsdiener Klaus.

ULTRA. Und zu wem hat der sein Zutrauen? –

WILLIBALD. Zu niemanden als zu den Ligurianern.[670]

ULTRA. Das ist mir schon genug.

WILLIBALD. Wie aber wollen Sie unerkannt hier verweilen?

ULTRA. Wie anders als verkleidet, und dazu müssen Sie mir behilflich sein. Sie sehen, wie ich auf Ihre Freundschaft baue.

WILLIBALD. Glücklicherweise kann ich Ihnen hierin – ach, das trifft sich ja herrlich. Voriges Jahr konnte hier ein armer Theaterprinzipal den Pacht nicht bezahlen. Se. Herrlichkeit ließen ihm die Garderobe pfänden.

ULTRA. Damit sich der arme Teufel auch weiter nichts verdienen kann.

WILLIBALD zu Ultra. Zu dieser Garderobe kann ich Ihnen behilflich sein.

ULTRA. Sehen Sie, wie der Weltlauf immer nemesiserln tut. Seine eigene Schandtat liefert uns die Waffen gegen ihn. Sie begleiten mich jetzt, nicht wahr?

SIGMUND zu Willibald. Ich werde dich beim Herrn von Reakzerl als unpäßlich entschuldigen.

WILLIBALD zu Sigmund. Tue das – Zu Ultra. Kommen Sie! –

ULTRA. Noch eins. Zu Sigmund. Wenn Sie die reizende Witwe sehen, so sagen Sie ihr, wie Krähwinkel frei ist, so werd' auch ich so frei sein und sie an gewisse Worte erinnern. Sie hat gesagt: »Sie sind mein Mann«, sagen Sie ihr, daß ich in diesem Punkte keinen Spaß verstehe. – Sie hat es vor Zeugen gesagt, so etwas ist sehr delikat, ich glaub', sie ist es meinem Ruf als Jüngling schuldig, daß sie mir am Altar gelegentlich ihre Rechte reicht.


Mit Willibald durch die Mitte, Sigmund links ins Kabinett ab.

Verwandlung.

Zimmer des Ratsdieners Klaus. Im Hintergrunde ein altes Kanapee, keine Mitteltüre, Seitentüre rechts ist der allgemeine Eingang, Türe links führt in die Küche.[671]


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 669-672.
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