Fünfter Auftritt

[439] Vorige ohne Bonbon.


SALERL ihm erstaunt nachsehend. Ah, da muß ich bitten! Der glaubt, man darf nur Haferl sagen.

DAMIAN aus seinem Versteck hervortretend. Meineidige! Was hab' ich g'sehn?!

SALERL. Einen alten Stutzer, sonst nix.[439]

DAMIAN. Wie kommt er in deine Nähe?

SALERL. Auf seine zwei Spazierhölzer. Er is mir nachg'rennt wie ein Wahnsinniger, hat mir eine Menge Schönheiten g'sagt und hat mich gar nicht zu Wort' kommen lassen, so oft ich 'n hab' fortschaffen wollen.

DAMIAN. Ich sag' dir's, reiz' mich nicht. Ich bin ein guter Kerl, aber in der Eifersucht kann ich dem Othello ein Doublé vorgeb'n.

SALERL. Hör' auf, ich glaub', ich geb' dir nit viel Anlaß.

DAMIAN. Wenn ich nicht so hungrig wär', den hätt' ich g'haut –! So aber fühl' ich mich zu kraftlos; allein es handelt sich nur um drei Bandel Leberwürst', und ich bin wieder Mann und zerreiße öng in Lüften alle zwei!

SALERL. Du bist ein Narr! Jetzt sei wieder gut, denn ich mag nur die guten Narr'n.

DAMIAN. Dem Krippenreiter kann ich's nit schenken, ich hab' so einen Rachedurst in mir!

SALERL. Geh, geh, das wird wohl ein anderer Durst sein.

DAMIAN. Is möglich, aber Wasser löscht ihn auf kein' Fall; ich glaub' immer, es wird's nur Rache tun.

SALERL. Probier's halt derweil mit a paar Seitel Heurigen.

DAMIAN. Foppst mich? Meine Kassa verträgt solche Depensen nicht. Da oben Gegen den ersten Stock zeigend. ja, da könnten s' ei'm was[440] zukommen lassen. Der reiche Herr ober uns gibt große Tafel. Sein wir nit eing'laden?

SALERL. Du Dalk! Da speisen lauter reiche Leut'!

DAMIAN. Das is eben das Dumme und höchst Ungerechte. Wenn die reichen Leut' nit wieder reiche einladeten, sondern arme Leut', dann hätten alle genug zu essen.

SALERL. Geh, du redst wieder so g'schwoll'n.

DAMIAN. O nein, meine Red' is philosophisch, und das Geschwollene g'hört ins Medizinische.

SALERL. Man muß die Welt nehmen, wie s' is, und nicht, wie s' sein könnt'.

DAMIAN. Mich wird die Welt bald gar nix mehr kümmern.

SALERL. Das kann nur der sagen, der sehr hoch steht.

DAMIAN. Oder der, der sehr tief liegt.

SALERL befremdet. Tief liegt?

DAMIAN. Ja, im Grab.

SALERL. Jetzt hör' mir auf!

DAMIAN kleinlaut. Wenn der Mensch gar kein Glück hat –

SALERL. So muß er geduldig warten, bis 's Glück kommt.

DAMIAN. Mir bleibt's z' lang aus, ich fang' schon an, kleinmütig z' werd'n.

SALERL. Schäm' dich! Bist du ein Mann?

DAMIAN. Ja, aber ein kleinmütiger![441]

SALERL. 's Glück is kugelrund; es kann alles noch anders werd'n.

DAMIAN. Ich bin halt kleinmütig!

SALERL. Da hast zwölf Groschen auf ein' Wein. Gibt ihm eine Handvoll Kupfermünzen.

DAMIAN. Du bist großmütig!

SALERL. Jetzt geh, Narr, und komm g'scheit zurück. Ich kenn' dich, beim dritten Seitel erscheint dir alles in einem andern Licht. Rechts ab.

DAMIAN allein. Wer hätte so eine ausgebreitete Menschenkenntnis in dieser klebern Person gesucht?


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 439-442.
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