Achtzehnter Auftritt

[489] Emilie, Johann.


EMILIE. Johann!

JOHANN. Gnädiges Fräulein!

EMILIE. Fanny wird Ihm gesagt haben –

JOHANN. Ich weiß alles.

EMILIE. Ich hoffe nicht, daß Er mir Ursache geben wird, mein voreiliges Zutrauen zu Ihm zu bereuen.

JOHANN. Sie haben Gold gesäet, Sie werden goldne Früchte ernten.

EMILIE. Ich liebe –

JOHANN. Haben vollkommen recht; Liebe ist die schönste Blüte des Lebens.

EMILIE. Ich hasse den Chevalier.

JOHANN. Haben vollkommen recht; ihm fehlen Schönheit und Jugend, die beiden Urstoffe der Gartenerde,[489] in welcher die Blume der Gegenliebe gedeiht.

EMILIE. Ich weiß keine Rettung, als wenn Adolf mich entführt.

JOHANN. Haben vollkommen recht; Entführung ist die Poesie des Durchgehens.

EMILIE. Ich will lieber als Adolfs Gattin im Elend sein als an der Seite eines anderen im Überfluß leben.

JOHANN. Das hat zwar noch keine g'sagt, die schon im Elend war, aber Sie haben dennoch vollkommen recht, weil das romantische Elend, von dem zur Gewohnheit gewordenen Überfluß aus betrachtet, sehr eine reizende Ansicht gewährt.

EMILIE. Weiß Er mir Mittel und Wege an die Hand zu geben?

JOHANN. Bei einer Entführung lassen sich nur die Mittel an die Hand geben, die Wege gehören in das Departement der Füß'; die Mittel müssen nah' sein, die Wege weit. Die Mittel müssen glänzend sein, nämlich Gold, die Wege aber um so dunkler. Die Mittel muß eins der Durchgehenden haben, und die Wege muß das andere wissen. Das sind die Grundprinzipien zur Theorie des doppelten Abfahr'ns.

EMILIE. Es ist ein schwerer Schritt, aber meine Abneigung gegen den Chevalier, die so unüberwindlich ist wie meines Vaters Härte, zwingt mich dazu.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 489-490.
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