44. Am 7. Sontage nach Trinitatis

[232] Rom. 6.


Auff den 35. Psalm

Ficht wider meine Anfechter.


Dieweil ihr schwaches Fleisches seyd,

So red' ich menschlich noch zur Zeit.

Ihr habt vor diesem, liebste Brüder,

Verunehrt euren Geist und Glieder;

Gleich wie ein' unverstopffte Bach

Sich selber treibet nach und nach,

So ist das eine Sündenquell,

Stracks kommen an deß andern Stell'.


Jetzt laßt das Unrecht von euch seyn,

Und räumbt euch gutem Wandel ein.

Ihr müst euch jenes Lebens schämen,

Wann ihr es wolt zu Hertzen nehmen.

Was trug doch eures Lebens Baum,

Wie ihr noch gabt den Sünden Raum?

Ein herbe Frucht, die ihre Pest

Nicht als zum Todte dienen läst.


Nun ihr von Lastern jetzt befreyt

Und Gottes Knechte worden seyd,

So sollt ihr euer gantzes Leben

Der wahren Heiligkeit ergeben,

Im Fall ihr ja vermeyden wolt

Den bittern Todt, der Sünden Sold,

Und selig leben nach der Zeit

Mit Christo in der Ewigkeit.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 232.
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