47. Am 10. Sontage nach Trinitatis

[233] 1. Corinth. 12.


Auff den 137. Psalm

Da wir zu Babylon am Wasser sassen.


O Liebste Schar, denckt nach deß Geistes Gaben,

Daß wir sie nur von Gott empfangen haben.

Ihr wisset wol, daß ihr für dieser Zeit

Ein Götzen-Volck und blind gewesen seyd;

Drumb sollet ihr ja Jesum nicht verfluchen,

Der durch den Geist euch will zum Glauben suchen.


Ohn ihn, den Geist, kan niemand Jesum haben;

Nur ein Geist ist, sind Aempter, Macht und Gaben,

Schon mancherley. Gott ists, der alles giebt

Und ernstlich wil, daß jeder seines übt;

Er theilt uns auß Erkantnüß, Krafft zu gläuben,

Der Weißheit Zier, Kunst, Kranckheit zu vertreiben.


Er reget uns viel Wunder für zu bringen,

Schenckt Wissenschafft von ungeschehnen Dingen;

Er macht, daß der recht urtheil' ohne Wahn,

Hergegen der viel Sprachen deuten kan.

Diß thut der Geist, der einem jeden giebet

Viel oder nicht, nach dem es ihm beliebet.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 233-234.
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