18. Auff den ersten Januarii (1625)

[199] Die Jahre pflegen zwar ihr rechtes Ziel zu finden

Und werden fortgeführt als eine schnelle Fluth,

Die ehe fleucht als kömpt; der Menschen rauer Muth

Wird, ist und bleibt verstockt in mehr als tausent Sünden.

Der Geist wil offte zwar sich etwas unterwinden,

Dein Himmel zu zugehen; doch was er macht und thut

Ist schwach und wird gehemmt durch unser Fleisch und Blut.

Der Geist von oben her muß einig uns entzünden

Mit seiner starcken Brunst, muß dämpffen unsern Wahn,

Der keine Frömmigkeit und Tugend fassen kan.

O Gott, nimb mit der Zeit des alten Jahres hin

Mein alte grosse Schult; gib, daß ich Neu und Schmertzen

Hier über tragen mag, und schicke meinem Hertzen

Mit diesem neuen Jahr auch einen neuen Sinn.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 199.
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