[21.]

An Herrn Esaias Sperern

[38] Vier mal ist der Frühling kommen;

Vier mal hat die Winterszeit

Von den Wäldern abgenommen

Ihr begrüntes Sommerkleid,

Seit daß wir gebracht sind worden

In der treuen Freundschaft Orden.


Wie viel Tage sind verflossen

Inner Freud' und guter Lust,

Wann wir uns den Sinn begossen

Mit Lyäus seiner Kost;

Doch nicht wie die rauhen Scythen,

Die den ganzen Wanst voll schütten.


Wie ein Schiffer an dem Rande

Seinen krummen Nachen führt[39]

Und sich nicht weit helt vom Lande,

Wann er starke Wellen spürt,

So auch muß es sein im Trinken,

Wollen wir nicht untersinken.


Sehn wir in der Schale springen,

Ungern, deinen klaren Wein,

Können wir uns auch bezwingen,

Daß wir lange nüchtern sein?

Es muß alles, was uns kränket,

In das Weinfaß sein versenket.


Wann wir dann so viel genommen,

Daß der angenehme Saft

Etwas in die Stirn' ist kommen,

Da kriegt Herz und Zunge Kraft,

Da wird alles ausgelassen,

Was uns taug und was wir hassen.


Warum dieses sei zu meiden,

Warum das nicht könne sein,

Warum der und der uns neiden,

Jener auch nur falschen Schein

Des Gemüthes von sich gibet,

Herzlich haßt und mündlich liebet.


O ihr Matten, o ihr Wiesen,

Du Gebirge, welches wir

Nennen von den alten Riesen,

O ihr warmen Bäder ihr,

Ihr Napäen habt vernommen,

Was uns oftmals ein ist kommen.


So ergetzt uns hier auf Erden

Ein schön Glas und ein schön Buch,

Biß wir eingehüllet werden

In ein Stücke leinen Tuch.[40]

Weil wir mehr nicht mit uns nehmen,

Sollen wir uns dann viel grämen?


Werden wir auch sonst nichts lassen,

(Dann sich um das Eigenthum

Niemand schlagen wird und hassen)

So bleibt doch ein guter Ruhm,

Den der Tod uns nicht kan sterben

Und kein Mensch mit Geld erwerben.


Du durchrennst mit freiem Zügel

Des geehrten Lobes Pfad

Durch des hohen Adlers Flügel,

Welcher dich zu Diensten hat

Und auch mich wil höher heben,

Mir Helm, Schild und Adel geben.


Dieses sind die Gift und Gaben,

Die uns über allen Neid,

Wann wir lange sind vergraben,

Heben sollen jederzeit;

Diese Schätz' und Güter machen,

Daß wir Hohn und Haß verlachen.


Wann die Mißgunst tausend Zungen

Hette feindlich ausgestreckt

Und käm' auf uns zu gedrungen,

Doch so bleiben wir verdeckt

In der Treu und Tugend Schatten,

Da kein Neid kan hingerathen.


Nun wolan, mit dem Bedinge

Laß uns bleiben, wie wir sein!

Da ich dann darauf dir bringe

Dieses große Schiff voll Wein,

Daß dich wol nicht mehr sol dürsten,

Auf Gesundheit unsers Fürsten.

Quelle:
Martin Opitz: Ausgewählte Dichtungen, Leipzig 1869, S. 38-41.
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