16. Beschluß-Elegie

[30] Das blinde Liebeswerck, die süsse Gisst der Sinnen

Und rechte Zauberey hat letzlich hier ein End';

Es wird das lose Kind, so mich verführen können,

Gott Lob, jetzt gantz und gar von mir hinweg gewendt.

Nun suche, wo du wilt, dir anderwerts Poeten;

Hier, Venus, hab' ich mir gesteckt mein eignes Ziel;

Es ist mir deine Gunst jetzt weiter nicht von Nöthen;

Ich haß' all' Eitelkeit, es liebe, wer da wil.

Was meine schwache Hand vor dieser Zeit geschrieben,

Durch deinen Geist geführt, das ist der Jugend Schuld.

Ich werde weiter nicht von solcher Lust getrieben;

Was dir gehässig ist, zu diesem trag' ich Huld.

Wann Urtheil und Verstand bey mir zu Rathe sitzen,

So hattest du mir zwar bethört den jungen Sinn,

Jetzt seh' ich, daß dein Sohn sey ohne Wahn und Witzen,

Du aber, Venus, selbst ein' edle Kuplerinn.[30]

Dein Wesen ist ein Marckt, da Leid wird feil getragen,

Ein Winckel, da Verdruß und Wehmuth innen steht,

Ein' Herberg' aller Noth, ein Siechhauß vieler Plagen,

Ein Schiff der Pein, ein Meer, da Tugend untergeht.

Wo soll die Schönheit seyn, wann alles wird vergehen,

Die Lippen von Corall, diß Alabaster-Bild,

Die Augen, so ihr seht gleich als zwo Sonnen stehen,

Der rothe Rosenmund, der weissen Brüste Schild?

Sie sollen, und wir auch, als Asch' und Staub entfliehen

Und allzugleiche gehn den Weg der Eitelkeit:

Pracht, Hoffart, Gut und Geld, umb das wir uns so mühen,

Wird Wind und Flügel noch bekommen mit der Zeit.

Ich laß' es alles stehn; das Ende meiner Jugend

Und Frucht der Liebeslust beschließ' ich gantz hierein:

Ein Werck, das höher ist, der Anfang meiner Tugend,

Ob dieses gleich verdirbt, soll nimmer sterblich seyn.[31]

Quelle:
Martin Opitz: Ausgewählte Dichtungen, Leipzig 1869.
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