6. Echo oder Wiederschall

[8] Diß Ort, mit Bäumen gantz umbgeben,

Da nichts als Frucht' und Schatten schweben,

Da Traurigkeit sich hin verfügt,

Da alles wüst' und öde liegt,

Da auch die Sonne nicht hinweichet,

Da gifftig Ungezieffer schleichet,

Da gar kein Wasser sich ergeust,

Als das auß meinen Augen fleust,

Da gar kein Liecht nicht wird erkennet,

Als daß auß meinem Herzen brennet,

Bedüncket mich bequeme seyn,

Da ich mich klag' ab meiner Pein,[8]

Ab meiner Pein und tieffstem Leiden,

Daß mich jetzund wird von mir scheiden;

Doch ehe der gewüntschte Tod

Mit Freuden abhilfft meiner Noth,

Will ich von meiner Liebe klagen

Und, ob schon gantz vergeblich, fragen,

Ist dann niemand, der tröste mich,

Weil ich so trauer' inniglich?

O Echo, wirst nur du alleine

Hinfort mich trösten, und sonst keine?

Wie soll sie leschen meinen Brandt,

Ist sie mir doch noch unbekandt?

Sie wil es aber nicht verstehen,

Lest mich in Angst ohn Ablaß gehen.

Verleuret sich denn ja mein Leidt,

Wem soll ichs dancken mit der Zeit?

So ist nun Noth, daß ich verscharre

Das Feuer, und der Stund' erharre?

Wenn ich zu lange harren solt',

Hülff etwas meiner Ungedult?

Vielleichte möcht' ich sterben ehe,

Weil ich im höchsten Elend gehe?

So folg' ich deinem Rathe schlecht,

Hoff', alles werde gut und recht.

Nun bin ich vieler Noth entbunden

Und habe guten Trost empfunden.

Du unbewohnte Traurigkeit,

Ihr Hecken voll von meinem Leid',

Ihr schwartzen Hölen und ihr Wüsten,

Da Eulen, Natern, Schlangen nisten,

Du ödes Ort, gehabt euch wol;

Ich bin für Trauren Freude voll,

Für Finsternüß such' ich die Sonnen,

Für Threnen ein kühlen Bronnen:

Die so Vertröstung mir gethan,

Ist so, daß sie nicht lügen kan.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 8-9.
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