An Richard Wagner

[169] 1855


Von einer neuen Oper sprach man lang,

Voll rauschender Musik und holdem Sang,

Die Deinen Namen uns verkündet;

Und alles Neue lockte mich herbei

Wenn eines deutschen Namens Weih'

Sich deutschem Werk verbündet


In Dresdens Opernhause weilt ich nun:

»Rienzi« hieß die Oper, »Roms Tribun«.

Mit vollen, feierlichen Klängen

Begann sie, da Dein kleiner Zauberstab

Das erste Zeichen dem Orchester gab,

Daß Tön' an Töne drängen.


Erschüttert lauscht das dichtgefüllte Haus

Wagt kaum zu atmen in dem Tongebraus,

Ruft beifallstürmend in die Scene,

Und immer neu bricht sich Begeistrung Bahn,

Ruft bald »Rienzi« und bald »Adrian«,

»Colonna und Irene«!
[170]

Todtbleich und bebend fand ich mich am Schluß –

Eins wußt ich nur: Es war ein Genius,

Der mich mit Gottesmacht bezwungen.

Ein Genius, der mit Titanenkraft

Das Alte stürzte und ein Neues schafft,

Ein neues Reich errungen.


Da kam der Splitterrichter eitle Zunft

Und mäkelte mit alter Unvernunft

An dem, das ihr zu hoch gegeben.

Ich lächelte zu ihrem häm'schen Wort –

Seit jenem Tag warst Du mein Held und Hort

Im kunstgeweihten Leben.


Des »fliegenden Holländers« Geisterschiff

»Tannhäusers« und des Wolframs Harfengriff

Und »Lohengrins« erhabnes Tönen –:

Die folgten nach, wie Stern an Stern sich reiht,

Durchbrechend hell der Wolken Dunkelheit

Am Himmel alles Schönen,


Und immer neu, wie jenes erste mal,

Da sich Begeistrung in das Herz mir stahl

Hab' ichs entzückt bekennen müssen –

Und hab' es – o wie gern – bekannt!

Du hast entdeckt ein neues Land,

Kolumbus! laß Dich grüßen.
[171]

Und ob wie er vervehmet und verbannt,

Du einsam weilst im fernen, fremden Land

Dein Stern kann nicht erbleichen.

Mit Donnertönen dringt Dein Name weit

Er glänzt in sieggewohnter Herrlichkeit

Als unser Bundeszeichen.


Dir winkt der Tempel der Unsterblichkeit,

Die jeden Genius der Zukunft weiht,

Der seinem Volk vorangegangen.

Es folgt Dir nach zum Reich, das Du erschaut,

Der Zukunft Kunstwerk wird einst hoch erbaut

Und Dir geweihet prangen.

Quelle:
Louise Otto: Mein Lebensgang. Leipzig 1893, S. 169-172.
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