Einem Künstler

[258] Robert.


Du hast's gewagt, den Zauberzweig zu pflücken,

Dich selber der Unsterblichkeit zu weihen,

Uns andern aber höchstes Glück zu leihen,

Im sel'gen Aufschwung und im Weltentrücken.


Du hast's gewagt – uns bleibt nur das Entzücken,

Denn Himmelsmächte sind es, die Dich feien,

An der Heroen edle Schar Dich reihen

Mit ihrer schönsten Glorie Dich schmücken.


Ein Zauberreich mit heil'gen Tempelhallen,

Drinn Geisterscharen jenen Zweig behüten,

Das ist die Kunst zu der viel Tausend wallen –


Doch Wen'gen nur, die um den Zweig sich mühten,

Ist er als Preis des Sieges zugefallen –:

Dein aber ist er, Dein mit allen Blüten!


Lara.


»Wenn Lara kämpft für seine eigne Ehre«,

So kämpft er für die Ehre alles Schönen

Und alles Hohen, kämpft mit Göttertönen,

Und allem Niedrem setzt er sich zur Wehre.
[258]

Es ist die Kunst in ihrer ganzen Hehre,

Begleitet von den lächelnden Kamönen,

Die dann sich nahn, den Genius zu krönen,

Der ein Verkünder ihrer reinsten Lehre:


Das Ew'ge soll im Endlichen erscheinen

Und doch uns selbst ins Reich des Ew'gen heben,

Wo wir der Andacht Freudenthränen weinen.


Zum höchsten Ziel der Kunst, dem einzig einen,

Heißt zu dem höchsten Ideale streben:

Sich selbst der Welt als Ideal zu geben.

Quelle:
Louise Otto: Mein Lebensgang. Leipzig 1893, S. 258-259.
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