Zweiter Aufzug.


[24] Erster, zweiter Christjanus; erste, zweite, dritte Christjana; erster, zweiter, dritter Leichenträger; erster zweiter Bote; Euelpius; ein Mädchen; Christjani, Christjanä; Leichen- und Fakel-Träger; Werkleute.

Es ist der nächste Morgen.

Die Szene stelt einen Abschnitt der Kalixtus-Katakomben bei Rom dar. Es herscht fast Nacht. Als Rückwand zu dem schmalen, nicht die ganze Bühnenbreite einnehmenden, und nur wenige Meter tiefen, aus dem Erdreich ausgehobenen, roh gewölbten Raum – der eigentlichen Szene – erblikt man einen mächtigen, fast die ganze Breite einnehmenden Erd-Pfeiler in roher Behauung, aus denen teils gewölbte, teils vierekige Nischen, groß genug, je eine Leiche aufzunehmen, ausgehoben sind. Die Nischen erscheinen teils mit Ziegelplatten verschloßen, teils sind leer, einige bergen eine in ein straffes Gewand gehülte, die Arme über der Brust gekreuzte, Leiche. Aehnliche Pfeiler begrenzen die Szene rechts und links. Da wo im Hintergrunde rechts und links die Pfeiler zusammenstoßen, läuft beiderseits je ein schmaler, finsterer Stollen geradeaus nach hinten und ein anderer rechtwinklig nach außen; derart, daß die eigentliche Eke von

einem dritten Pfeiler eingenommen wird, von dem jedoch nur die vordere Kante sichtbar ist. Der von der rechten Eke nach hinten auslaufende Stollen ist als zur Erd-Oberfläche führend zu denken. Von dort bricht gelegentlich, beim Hereinbringen der Leichen, schwacher Tagesschimmer herein. Die Wände, und die die Begräbnisnischen dekenden Ziegelplatten sind mit den Ideengehalt der frühchristlichen Kirche illustrirenden simbolischen Zeichen in harter, strenger Ausführung – teils in alfresco gemalt, teils skulpirt – bedekt: Fisch, Taube mit Oelzweig,[25] Delfin, Anker, Palmbaum, Kreuz, das sog. Zeichen Christi u.a.2 In kleinen Nischen und auf Vorsprüngen stehen einzelne, kleine, nachengestaltige brennende Ton-Lampen, die ein gelbes, trübes Licht verbreiten. – Mitten auf der Szene befindet sich, in seiner Längsrichtung von rechts nach links laufend, ein mächtiger, als quadratischer Blok dem Boden entsteigender Sarkofag, ebenfalls mit Skulpturen geschmükt, der als Tischplatte für die Agapen (Liebesmale) der sich hier geheim Versammelnden dient. Auf ihm stehen größere und kleinere Schüßeln mit Holzlöffeln. Die hintere Längsseite und die beiden Schmalseiten dieses »Tisches« sind mit niederen, dunkelgefärbten, kleinen Hoker-Sizen bestelt.

Das ganze Folgende ist ein großes Geflüster.


Die Mädchen in der einfachen römischen Frauen-tunica, ohne besondere Fältelung, und ohne Falbel oder Schleppe, aber mit Aermeln, und in vorwiegend ganz lichten Farben, kommen einzeln herein, jede die kleine gelb-brennende Katakomben-Lampe in der Hand. Sie gehen langsam, gemeßen, steif: sehen sich vorsichtig um; orjentiren sich; stellen die Lampe auf den Sarkofag in der Mitte, oder in eine Gräbernische, gehen, sobald mehrere sich versammelt, auf sich zu, begrüßen sich mit einer gewißen Freudigkeit, umarmen sich, küßen sich und sagen »Jesus Christus«.3 Sie verlieren sich dann in den Katakombengängen, wo man sie mit dem Schmüken noch offen daliegender Leichen, mit dem Anbringen kleiner Gegenstände, Ringen, Ohrgehängen, aromatischen Büchsen u. dgl., wol auch mit dem Verschließen der Nischen, mit den Eingraben von Zeichen und Simbolen, beschäftigt sieht. Sie kommen aus den Gängen zurük, beladen sich bei dem großen Sarkofag mit neuen Schmukgegenständen, verlieren sich in andern Gängen, gehen hin und her. Neu Eintretende werden Alle in der förmlichen, herzlichen Weise mit Kuß und Umarmung im Flüsterton begrüßt.

Allmälich kommen die ersten Leichen, halb verbrant, notdürftig in Linien gewikelt, frisch von

den Pfählen genommen. – Alles bricht in krampfhaftes Schluchzen aus. – Ein oder zwei Fakelträger kommen voraus (aus dem rechten, hinteren Stollen), dann zwei Träger mit der Leiche auf den Schultern, die auf den Boden gelegt wird, um agnoszirt zu werden. Alles läuft mit den kleinen Lampen zusammen.[26]


ERSTER CHRISTJANUS. Es ist Priszilla!

ALLE UEBRIGEN. Priszilla!


Alle brechen in lautes Schluchzen aus. Eine der Anwesenden (erste Christjana) verfält in laut-jammerndes Klagen mit lautem, krampfhaftem Hinausschreien. Man nimt sich ihrer an, geleitet sie zum großen Sarkofag in der Mitte, wo sie sich auf einen der Seßel niederläßt, den Kopf in die Arme vergräbt und weiterwimmert.


ERSTER LEICHENTRÄGER. Sie wurde von ihrem Vater weggerißen. Dann warf sie sich dem Zenturjo in den Weg. Als man sie losmachen wolte, wurde sie mit der Manipel handgemein. So wurde sie mitgenommen.

ZWEITE CHRISTJANA. Wurde sie gebunden?

ERSTER LEICHENTRÄGER. Sie wurde gepfählt wie die Uebrigen.

ERSTE CHRISTJANA stürzt auf. Laßt mich sie sehen! Laßt mich sie umarmen, sie küßen! Sie drängt sich in den Kreis; wird aber von den Mädchen gewaltsam zu ihrem Plaz zurükgeführt.

DRITTE CHRISTJANA weisung gebend. Sezt sie zur Domitilla! Sie geht mit der Lampe voraus, zwei Fakelträger folgen, dann die zwei Leichenträger mit der Leiche; Mädchen und Frauen, die Schmuk und Kräuter von dem Sarkofag genommen, mit ihren Lampen zum Schluß; sie beschreiten den linken, seitlich abgehenden Stollen, wo sie verschwinden. Erste Christjana bleibt mit Mädchen und Frauen zurück.Andere gehen mit ihren Lampen in andere Stollen.


Es kommt ein zweiter Transport. Fakelträger voraus, wie oben.


ERSTE CHRISTJANA die sich erholt hat, mit ihrer Lampe entgegen. Woher?

ZWEITER LEICHENTRÄGER. Aus dem Zirkus.

ERSTE CHRISTJANA. Seid Ihr in den kaiserlichen Gärten zu Ende?

ZWEITER LEICHENTRÄGER. Man kann die Leichen nicht abnehmen; sie brennen noch; und der Geruch erstikt die Leute Sezen die Leichen ab.

ERSTE CHRISTJANA. Kent Ihr die Namen?[27]

ZWEITER LEICHENTRÄGER. Es sind zwei Männer, aber unkentlich. Bart und Gesicht verkohlt. Einige sagten: es sei Melchiades, Vater und Sohn. Sie waren an einem Pfahl ... Man hört schluchzen.

ERSTE CHRISTJANA deutet nach Rechts in den Seitengang. Sezt sie zu Vitalis, – übereinander! Sie heben die Leichen auf; Mädchen mit Lampen gehen voraus; der Transport schwenkt rechts ab; Mädchen mit Kräutern folgen.


Währenddem kommt der erste Transport aus dem linken Stollen zurück, und trift auf einen dritten Transport, der soeben ankommt. Fakelträger etc. wie oben.


DRITTER LEICHENTRÄGER unter der Last, erregt. Die Toten können nicht abgenommen werden. Die Brüder werden verhaftet und abgeführt.

ZWEITER CHRISTJANA. Woher sind diese?

DRITTER LEICHENTRÄGER. Aus dem Zirkus. Sie wurden über Nacht heimlich entfernt, da die Wache schlief.

ZWEITE CHRISTJANA. Habt Ihr die Namen?

DRITTER LEICHENTRÄGER. Nein. Sie sind gänzlich verkohlt Zeigt eine Münze. dieses Kettchen war an dem Hals des Einen.

ZWEITE CHRISTJANA die Münze betrachtend, weinend. Es ist Demetrius! – Er war mit Melania versprochen! – Sie solten heute zusammengegeben werden. Schluchzt.

DRITTE CHRISTJANA auf der andern Seite. Wie steht's in den kaiserlichen Gärten?

DRITTER LEICHENTRÄGER. Dort glüht noch Alles. – Die Brüder wurden erst später entzündet, erst gegen Mitternacht, und sind jetzt noch in voller Glut ... doch können dort die Leichen in nächster Nacht gefahrlos geholt werden: der kaiserliche Präfekt ist unser Freund, und will uns wol ...

DRITTE CHRISTJANA. Und wieviel bringt Ihr noch?[28]

ERSTER LEICHENTRÄGER inzwischen zurük. Aus den Gärten fünfzig!

DRITTER LEICHENTRÄGER unter der Last. Es braucht noch Raum für über Zweihundert – die aus den Gärten – die vom Zirkus – die aus den Aemiliani'schen Grundstüken – zusammengenommen: über Zweihundert; – ohne die, die schon beigesezt sind ... die Brüder sind schon bestelt ...

EINER VOM DRITTEN TRANSPORT. Die Handwerker folgen uns auf dem Fus ...

ZWEITE CHRISTJANA zu den Trägern, nach Rechts deutend. Sezt sie zu Kallistus!


Der Transport bewegt sich quer über die Szene nach Rechts in den nach hinten verlaufenden Stollen. Falkelträger und Frauen mit Lampen voraus, wie oben.

Es kommen hinter dem Transport Handwerker mit

Piken und Schaufeln herein. Sie grüßen sich mit »Jesus Christus«. Frauen mit Lampen begleiten sie und verteilen sie in den Stollen. – Inzwischen ist Transport Zwei zurückgekehrt. – Es kommen neue Transporte. Die Szene fült sich immer mehr mit Menschen, Fakeln und Lichtern. Man hört die Neukommenden sich mit »Jesus Christus« begrüßen; soweit sie nicht Träger sind, sich mit Kuß bewillkommen. – Man hört fortgesetzt Schluchzen, Jammern, Klagen. Es bilden sich Gruppen. Man flüstert und tauscht Neuigkeiten.


EIN MÄDCHEN Christjana, komt plözlich von hinten durch den Eingang rechts, in aufgelösten Haaren, mit wilder Geberde, in gloßolalirender Sprache, in predigender Manier, mit ausgebreiteten Händen. Er ist auferstanden! ...

DIE ANDERN werden aufmerksam, gehen ihr entgegen, wollen sie mit Gruß und Kuß umarmen, werden abgewiesen. ... Wer ist auferstanden? ...

EIN MÄDCHEN wie oben. Er ist auferstanden! – Christ ist erschienen – Klaudius ist auferstanden! – Kallistus ist auferstanden! – Mein Bruder ist auferstanden! – Mein Verlobter ist auferstanden! – Meine Schwestern sind alle auferstanden! – Sie kommen Sie deutet hinaus, woher sie gekommen. auf[29] weißen Roßen – sie leuchten wie die Sonne – ihre Lippen sind wie Rubin – ihre Kleider glänzen wie der Schnee auf dem Libanon – in Gloria und Herlichkeit – Hosianna! – Hosianna! ...


Die Frauen umringen sie, wollen sie zur Ruhe bringen. Man hört vielfach weinen und schluchzen.

Zwei Boten kommen ohne Fakeln; sehr erregt.


ERSTER BOTE. Haltet sie! – Sie ist von Hause entflohen! – Die Unglükliche ...

ZWEITE CHRISTJANA. Es ist Annia!

ALLE UEBRIGEN. Annia!

ZWEITER BOTE halb weinend. Sie sah ihren Verlobten auf dem Pfahl – in den Gärten – halb erstikt – sie wollte ihn herunterreißen – sie wollte mitverbrennen – schrie in Einem fort seinen Namen – durch die Nacht – lief bis zum Morgen in den kaiserlichen Gärten herum – immerfort den Namen des Verlobten rufend ...

DRITTE CHRISTJANA. Wer ist es?

ZWEITER BOTE. Klaudius!

ALLE UEBRIGEN mit höchstem Erstaunen. Klaudius!

ZWEITER BOTE fortfahrend. ... Der Kaiser befahl Stillschweigen – er wolte ruhen – die Wächter brachten sie nach Hause – sie schrie wol die halbe Nacht – fantasierte – heute Morgen ist sie entflohen – die beiden Schwestern suchten sie durch ganz Rom ...


Alles umdrängt sie. Man hört sie bemitleidende Stimmen durcheinander: »Ach, die Aermste.« – »Ist ganz erschöpft!« – »Bringt sie nach Hause!« – »Sie ist verwirt.« – »Schikt sie nach Hause!« – »Hier bringt sie uns Gefahr!« – »Sie wird uns verraten!« – »Sie ist außer sich.« – Die Transporte kommen aus den Stollen zurück. Alles versammelt sich um die Neu-Angekommene. Lichter und Fakeln.[30]


EIN MÄDCHEN spricht wie oben, in ihrer seherischen, schwärmerischen Weise mitten durch die Andern; sehr hoher Diskant. ... Komm, meine Taube! – du Tochter Jephtas – ergöze dich mit mir! – Sie betrachtet entzückt die Andern. wie schön ist dein Gang in deinen Schuhen! – Sehet: mein Freund ist gekommen in seinen Garten, daß er eße von seinen Früchten – komt, liebe Schwestern, süße Braut, komt in meinen Garten – ich habe Myrren gebrochen und Würzen in meinen Kleidern – Sie einladend. komt Alle zur Hochzeit! ...


Euelpius, alt und ehrwürdig, mit langem Bart, eh'r jüdisch, in langem, glattem Rock, teilt die Menge und geht auf die Erkrankte zu. Man macht ihm Plaz, begrüßt ihn mit allseitigem »Jesus Christus!«, Viele werfen sich ihm schluchzend an den Hals, küssen seine Hände etc.


EUELPIUS sehr gemeßen und ruhig, legt der Erkrankten die Hand auf. Sei ruhig, meine Tochter – der böse Geist hat dich umnachtet – und die Zartheit deiner Sinne in wilden Wahnwiz verkehrt – er gehet umher, wie ein brüllender Löwe – und suchet, den er verschlinget – er hat die Herzen der Heiden verstokt und ihre Sinne dem Bösen zugewant – er hat auch dich umfangen und Täuschung in deine reine Seele gegoßen – Tritt einen Schritt zurük. Weiche von ihr, böser Geist, und befreie die Seele von ihrem Wahn – du hast keinen Teil an ihr! ... Geht nach einer Pause auf sie zu, streichelt sie; – zu den Uebrigen. Bringt sie nach Hause! – Gebt sie den Schwestern! – Sie sollen auf sie Acht haben! – Sie wird heil werden! ...


Das Mädchen wird fortgeleitet. Fakeln voraus. Mit ihr verlaßen ein großer Teil Mädchen und Frauen die Szene. Andere mit ihren Lampen, Werkzeugen, Tüchern, Kräutern etc. verteilen sich in den Gräbergängen. Es bleiben nur Soviele zurük, als an dem in der Mitte befindlichen großen Sarkofag, der als Tisch dient, Plaz haben. Dort nehmen sie, Mädchen und Frauen, Männer und Jünglinge, unter gegenseitigem Geleiten und Sich-Trösten, allmälich in zwangloser, die orientalische Sitte andeutender[31] Weise Plaz, so daß das mechanisch-gleichartige

Dortsizen vermieden ist. Sie hängen sich gegenseitig an der Schulter4 und flüstern und klagen miteinander. Jedes hat seine Lampe vor sich auf den Tisch gestelt. Je eine Fakel ist von den Fakelträgern an die Wand des Eingangs und an den Pfeiler links, hinten, gesteckt worden. Euelpius an der hinteren Seite in der Mitte, sehr feierlich und ernst, nimt eine der Schüsseln, hält sie vor sich, wendet sich nach Links und gibt mit dem Löffel dem ihm auf der linken Seite Zunächst-Sizenden zu essen; dieser nimt die Schüssel und gibt sie genau so weiter. Euelpius demnächst ebenso nach Rechts, bis die zwei Schüsseln je auf ihrer Seite am Ende angelangt sind.5


ERSTE CHRISTJANA schluchzend. Alles tot! – Klaudius tot! – Demetrius tot! – Melania tot! – Priszilla tot! ...

ERSTER CHRISTJANUS. ... Flavius tot! – Luzina tot! – Paula tot ...

ZWEITE CHRISTJANA. ... Melchiades von den Hunden zerrissen – Eubulos verschwunden – Kallistus gefangen ...

DRITTE CHRISTJANA. ...Annia in ihren Sinnen verwirt! – Die Schwestern geflüchtet! – Viele in ihren Schlupfwinkeln verhungert – Alle zersprengt und gehezt! ... Allgemeines Schluchzen und Klagen.


Pause.[32]


EUELPIUS steigert allmälich den bei der Beschwörung Annia's angeschlagenen langsamen und feierlichem Ton bis zum Seherhaften, Begeisterten; er zitirt. »Diese sind es, die gekommen sind aus großer Trübsal – und haben ihre Kleider gewachsen – und haben ihre Kleider helle gemacht im Blut des Lammes ...«

ZWEITE CHRISTJANA einfallend, unter Schluchzen. »... Sie wird nicht mehr hungern noch dürsten; – es wird auch nicht auf sie fallen die Sonne, oder irgend eine Hize .....«

ERSTER CHRISTJANUS ebenso. »... Wer überwindet, dem will ich geben mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen ... Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So Jemand meine Stimme hören wird, und die Türe auftun, zu dem werde ich eingehen ...«

ZWEITER CHRISTJANUS plözlich in einem Anfall ausbrechend, sich erhebend, die Augen verhüllend. Ist das das Ende? – Das lezte Ende? – Alles tot! – Unsere Brüder tot! – Unsere Lieben alle erschlagen und gemordet Die Zunächstsizenden beruhigen ihn, er sinkt zurück und schluchzt krampfhaft weiter.


Pause.


EUELPIUS sehr ruhig und pathetisch. »... Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden – und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens – und will seinen Namen bekennen vor meinem Vater, und vor seinen Engeln ...«

ERSTE CHRISTJANA beherzigend. »... Siehe, ich sende Euch wie Schafe mitten unter die Wölfe – und müßet gehaßet werden von Jedermann, um meines Namens willen ...«

ZWEITE CHRISTJANA ebenso. »... Ich weiß deine Werke und deine Trübsal und deine Armut ... du aber bist reich! ...«

DRITTE CHRISTJANA immer bekräftigender. »... Fürchte dich vor Keinem, das du leiden wirst: Sei getreu[33] bis an den Tot, so will ich dir die Krone des Lebens geben ...«


Pause. – Man hört noch leises Schluchzen und Klagen.


EUELPIUS abschließend; sehr feierlich und langsam zitirend. »... Und Er wird sie weiden und leiten zu den lebendigen Wasserbronnen – und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.« Er blikt Alle feierlich und freudig an.


Alle brechen nacheinander auf, nehmen ihre Lampen (teils in die rechte, teils in die Hand), küßen

sich parweise und flüstern (unter scharfer Betonung der »s« -Laute) »Jesus Christus«. Dann schreiten sie, unter Mitnahme der Fakeln, langsam parweise dem Ausgang zu. Während die Lezten im Begriffe sind, die Bühne zu verlaßen.


Fält der Vorhang.


Quelle:
Oskar Panizza: Nero. Zürich 1898, S. 24-34.
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