Psyche

[44] Begeisterndes Glück!

Es sank von den schmerzlichen Werken,

Von allen den qualvollen Müh'n

Die irdische Hülle in Schlummer dahin.

Und ich darf zurück,

Im himmlischen See mich zu stärken!


Am Tage da hält mich mein Kerker fest,

Da bin ich zurück in den Busen gepreßt,

Zur Qual und zum Weh für uns Beide;

Denn Psyche erträgt die Gefangenschaft nicht,

Und ich rüttle am Gitter, bis daß es zerbricht,

Wenn im Kerker ich allzuviel leide.
[45]

Da bin ich versenkt in den blutigen Strom,

Ich, die in der Himmel helleuchtendem Dom

Gewohnt bin, auf Strahlen zu schweben!

Befleckt bin ich da von zerfallendem Staub,

Ich, der einst die Sterne als goldenes Laub

Verklärend die Stirne umgeben!


Drum bin ich so selig, wenn endlich die Nacht,

Vermittelnd die Pforten der Erde bewacht,

Wenn alle die Hüllen entschlafen.

Wenn vorbei erst des Tages so peinliche Frist,

Da werd' ich von Freiheit auf Stunden begrüßt,

Da eil' ich zum heimischen Hafen!


In Aether mich badend durchflieg' ich die Welt,

Das prangende raumlose Himmelsgezelt,

Vom Sonnensysteme zum andern.

Ich lausche der Harfe in Seraphshand,

Ich nipp' an der himmlischen Blumen Rand –

O selig entzückendes Wandern!


Ich grüße die Geister, die vor mir befreit,

Für die schon vorbei der Verbannung Zeit;

Ich habe sie wieder gefunden,[46]

Und sag' ihnen nun, wie ich ihrer gedacht,

In Thränen die nachtvollen Tage durchwacht

Und wie nun geheilt meine Wunden!


Ich sehe das Auge, das jenseits der Zeit

Uns schützend bewacht für die Ewigkeit,

Und das Herz voll unendlicher Liebe!

Ich ahne der Schöpfung hochheiligen Grund,

Die Güte mit Weisheit und Allmacht im Bund –

O daß es doch ewig so bliebe!


Doch wehe! da hebt sich das Morgenroth

Und ich muß zurück in das Leben, den Tod,

Bis dieser einst Leben mir spendet.

O strahlende Heimath, so fahre denn hin!

So segelt, ihr eilenden Welten, wohin

Der göttliche Wille euch sendet!


Mich sendet er fort aus dem himmlischen Land,

Mich hat er in drückende Fesseln gebannt

Auf jenem unsel'gen Planeten!

Die Heimkehr auf immer ist mir noch verwehrt,

Und was mir im Kerker an Tröstung bescheert,

Ist Lieben und Dichten und Beten.

Quelle:
Betty Paoli: Gedichte. Pest; Leipzig 21845, S. 44-47.
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