Zu spät

[48] Ich liebte dich, doch meine Liebe,

Sie hat dir Kummer nur gebracht,

Und dunkler Wetterwolken Trübe

Auf Deines Himmels Sonnenpracht.


Unfähig, das Gefühl zu theilen,

Das mich empor zum Himmel trug,

Verfolgtest du mit Witzespfeilen

Mich auf dem sel'gen Heimathszug.


Und solche scharfe Pfeile dringen

Selbst bis zum fernen Himmelsplan,

Daß blutend mit gebrochnen Schwingen,

Man draus zu Boden stürzen kann.
[49]

So stürzte ich; – doch als du, Jäger!

Sahst meiner Wunden Flammenpein,

Da wolltest Heiler du und Pfleger

Der von dir so Verletzten sein.


Laß ab! Gehör ich zu den Schwachen,

Die, schmeichelnd, man mit einem Wort

Auf immer kann vergessen machen,

Daß man ihr Herz gequält, durchbohrt?


Ein Blut, deß Kön'ge sich nicht schämen –

In meinen Adern schäumt's und rollt's;

Des Mitleids Gabe anzunehmen

Bin ich zu edel und zu stolz.


Muß ich doch meine Würde wahren!

Es ziemt sich für ein Königsherz,

Das seine Größ' will offenbaren,

Nur höchste Lust, nur tiefster Schmerz.


Und für den Geist, den liederreichen,

Ziemt sich nur blaue Himmelsluft;

Kann er die nicht mehr frei durchstreichen,

So sink' er lieber in die Gruft,
[50]

Als, daß mit klagender Geberde,

Entwürdiget, ein läst'ger Gast,

Er auf der feindlich rauhen Erde

Fortschleppe seines Lebens Last.

Quelle:
Betty Paoli: Gedichte. Pest; Leipzig 21845, S. 48-51.
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