Asyl

[167] Was immer mich an Schuld beschweret,

Des Einen bin ich mir bewußt:

Nie hab ich frevelhaft entehret

Des Sanges Kraft in meiner Brust.

Ob längst des Lebens trübe Welle

Mich von dem Reich des Friedens schied,

Der Nonne gleich in stiller Zelle

Blieb rein und unentweiht mein Lied.


Im wechselvollen Weltgetriebe,

Auf stürmereicher Irrenfahrt,

Wie eine fromme Jugendliebe

Hab' ich es unbefleckt bewahrt.[168]

Als einz'ges Gut, das ich gerettet

Aus einer eingestürzten Welt.

Als letztes Band, das mich gekettet

An's Strahlenherz der Gottheit hält.


Und wie der Sprosse der Atriden

Im heil'gen Haine Lind'rung fand,

So flücht' ich mich zu deinem Frieden,

O Musa! in dein Zauberland.

Die Flüche der Erynnen schweigen,

Der Hand entsinkt der Pilgerstab,

Und auf dem öden Patmos neigen

Sich himmlische zu mir herab.

Quelle:
Betty Paoli: Neue Gedichte. Pest 21856, S. 167-169.
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