Dreyhundert und achtes Sonett.

[85] Oft sagt mein treuer Spiegel mir, daneben

Die andre Haut, der Geist, dem nichts gelinget,

Kraft und Gewandtheit, die vergebens ringet:

»Birg dir es nicht, du bist doch alt nun eben!

Das Beßt' ist stets, sich der Natur ergeben,

Da uns die Zeit um Kraft zu kämpfen bringet.« –

Dann schnell, wie Wasserstrom die Gluth bezwinget,

Erwach' aus langem Schlaf' ich neu zum Leben,

Und seh', wie unsre Tag' im Flug entwallen,

Wie einmahl nur das Leben wird gefunden;

Und hör' ein Wörtlein drinnen mir erschallen

Von ihr, die schönen Knotens nun entbunden,

Doch hier vordem so einzig war vor Allen,

Daß Allen, denk' ich, sie den Ruhm entwunden.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 2, Wien 1827, S. 85-86.
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