Einhundert fünf und siebenzigstes Sonett.

[15] Lust spornet mich; Amor voraus mir ziehet;

Vergnügen lockt; Gewohnheit mich umschnüret;

Hoffnung schmeichelt und tröstet und berühret

Mit ihrer Hand mein Herz, das matt verglühet;

Das arme Herz ergreifet sie und siehet

Nicht, wie so blind und treulos, die uns führet;

Vernunft ist todt und Sinnlichkeit regieret;

Aus irrem Sehnen anderes erblühet.

Reiz, Tugend, süße Red', holdselig Weben

Haben an schöne Zweige mich gebunden,

Und fest hangt in Geduld mein Herz darinnen.

Tausend dreyhundert sechs und zwanzig eben,

Am sechsten Tag Aprils in erster Stunde,

Trat ich in's Labyrinth, wo kein Entrinnen.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 2, Wien 1827, S. 15.
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