Einhundert sechs und dreyßigstes Sonett.

[181] Ihr Antlitz oft mit menschlich-holden Zügen

Hat mir nebst den Genossen Muth gegeben,

Mit ehrbar kluger Worte leisem Weben

Demüthig meine Feindinn zu bekriegen.

Doch läßt ihr Blick den Vorsatz bald verfliegen,

Weil all' mein Gut, mein Loos und all' mein Streben

Mein Glück, mein Weh, mein Tod so als mein Leben

In ihre Hand gelegt durch Amors Fügen.

Drum war ich nie so meiner Worte Meister,

Daß mich ein Andrer, als ich selbst, verstünde;

So macht mich Amor heiser und verzaget.

Und wohl nun seh' ich, wie die Zunge binde

Entbrannte Lieb' und dannen trag' die Geister:

Gering nur glüht, wer, wie er glühe, saget.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 1, Wien 1827, S. 181.
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