Einhundert sieben und fünfzigstes Sonett.

[6] Wie Gott anschauen ist das ew'ge Leben,

Und Niemand mehr da will, noch dürfte wollen,

So, Herrinn, hat in kurzem, kummervollen

Daseyn mir euer Anblick Lust gegeben.

Noch sah euch selbst ich nie so schön, wie eben,

Wenn Augen Wahrheit je dem Herzen zollen;

O süße Stund', aus der mir Heil entquollen,

Besiegend jeglich Hoffen, jeglich Streben!

Und müßt' ich nicht sobald darauf verzichten,

Nicht wollt' ich mehr; denn wenn sich manche nähren

Nur vom Geruch und solches gilt für Wahrheit,

Andre mit Wasser und mit Gluth beschwichten

Den Sinn, Dinge, die aller Süß entbehren, –

Warum nicht ich mit eures Blickes Klarheit?

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 2, Wien 1827, S. 6.
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