Zweyhundert zwey und fünfzigstes Sonett.

[57] Sie lebte schön mir drin, da zu entscheiden,

Wie hohe Frau'n an niedrer Stätte walten;

Nun bin ich, sterblich nicht, nein, todt zu halten,

Sie aber selig durch ihr letztes Scheiden.

Die Seele, baar und ledig ihrer Freuden,

Amor, beraubet seiner Lichtgewalten,

Könnten durch Mitleid Felsen wohl zerspalten;

Doch Niemand schreibet und erzählt ihr Leiden.

Denn innen weinen sie, wo aller Ohren

Taub, nur nicht mein's, dem solcher Gram beschieden,

Daß nichts ihm mehr, als Seufzen, stehet offen.

Wahrhaftig sind wir Schatten, Staub hienieden,

Wahrhaftig ist der Wille blind geboren,

Wahrhaftig trügerisch ist unser Hoffen.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 2, Wien 1827, S. 57-58.
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