Der Schröter, die Schnecke und der Molkendieb

[128] Ein Schröter, der mit einer Schnecke

Im Schatten einer Weißdornhecke

Spatzieren kroch, gerieth mit ihr

In Streit, und zwar der Hörner wegen.

Kaum trägt ein junger Offizier

So stolz den neuen Troddeldegen

Als Junker Schröter sein Geweih.

Der Hirsch, dem wir am meisten gleichen,

Sprach er, muß ohne Prahlerey,

Mit seinem Kopfputz meinem weichen:

Er dienet mir, du weist es schon,

Zur Hand und wie dem Krebs zur Scheere,

Im Krieg zum Schutz und Trutzgewehre,

Und.... Alles gut, mein lieber Sohn,

Und doch möcht ich mit dir nicht tauschen;

Auf meinen Hörnern hat die Macht

Des Zevs zwey Augen angebracht,

Wodurch ich die Gefahr belauschen,

Und die ich, rückt der Feind heran,

Schnell, wie mich selbst, verbergen kann.

So sprach die Schnecke. Junker Schröter[129]

Bestieg noch einmal den Katheder;

Allein das Lied des Schaalthiers blieb

Noch immer auf der alten Weise.

Ein Amor, der auf einer Reise

Als Schmetterling sein Wesen trieb,

Und sich, um auszuruhn, ins Grüne

Herabließ, mußte Schiedsmann seyn.

Ich, sprach er mit gelehrter Miene,

Bin für die Hörner, die man sein

Verbergen kann; doch dächt ich wären

Die Augen füglich zu entbehren.

Ey, rief die Schnecke, Freund, wie so?

Allein der kleine Schelm entfloh,

Anstatt das Räthsel aufzuklären.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 3, Tübingen 1802, S. 128-130.
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