Der Wolf und der Fuchs

[81] Der Löwe war an Kräften ganz erschöpft,

Die kalte Gicht durchwühlte seine Glieder,

Umsonst ward er gerieben und geschröpft,

Der Quell des Lebens floß nicht wieder.

Sein Hofstaat ließ sich Tag vor Tag

Mit traurigem Gesicht vor seinem Bette sehen,

Um ihm mit Rath und Hülfe beyzustehen.

Einst mißte man den Fuchs. Ein voller Taubenschlag

Gab ihm auf einem Dorf zu schaffen.

Da sieht mans, sprach der Wolf zum Affen,

So leise daß dem Schach kein Wort entgieng,

Der Bösewicht fragt einen Pfifferling

Nach seines guten Königs Qualen.

Hier ward die Wuth des Löwen aufgeweckt;

Er schwur: das soll er mir mit seinem Blut bezahlen;

Die Nachricht wird dem Fuchs gesteckt;

Er kam des andern Tags mit heitern Mienen

Zum alten Schach. Was hielt dich gestern ab,

Verräther? – Sir! der Eifer dir zu dienen:

Ich lief nach Epidaur, dem Helfer Aeskulap

Durch mein Gebet ein Mittel abzudringen,

Das deine Gicht zerstreun, die Kräfte wiederbringen,[82]

Ja gleich dem Phönix dich verjüngen kann.

Ists möglich! rief der Schach; ha, bester Freund, sag an! –

Du darfst dich, sprach er, nur nach des Orakels Willen

In eine warme Wolfshaut hüllen,

So ist das ganze Werk gethan.

Ey, ey, rief Isegrim, Gott Aeskulap will spassen,

Und schlich der Thüre zu. Der Löwe winkt dem Bär,

Dem Tiger und dem Hund, den Spötter anzufassen,

Und kurz, er mußte sich, trotz aller Gegenwehr,

Auf seiner Majestät Gesundheit schinden lassen.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 3, Tübingen 1802, S. 81-83.
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