Zilia

[99] In Pegu, (freylich ist es Schade,

Daß uns in der Banisiade

Herr Ziegler nichts davon vertraut,)

Wählt sich der Kaiser seine Braut

Von Altersher nach dem Geruche.

Am Tag der feyerlichen Wahl

Beruft sein oberster Eunuche

Der schönsten Mädchen goldne Zahl

In seinen großen Opernsaal,

Dann stimmt ein Chor von Sängerinnen

Ein halbes hundert Walzer an:

Die Mädchen tanzen wie von Sinnen,

Bis keine sich mehr regen kann

Und ihr Gewand vom Schweiße thauet.

Nun führt man, um sich auszuziehn,

Die ganze Schaar vor ein Kamin

Von Jaspis: der Monarch beschauet

Ihr Linnen steif am Kerzenlicht,

Und welcher Hemd am besten riecht,

Die wird so fort ihm angetrauet.

Einst ließ der Kaiser diesen Ball

Beym Lärm der Pauken und Karthaunen[100]

Durch seinen Oberhofmarschall

Auf allen Märkten ausposaunen;

Da kriegte Fräulein Zilia,

(Ein Dirnchen, seit der Helena

Und Lais glich ihr nichts auf Erden,

Es wäre denn Musarion,)

Auch Lust, Frau Kaiserin zu werden.

Doch wie trägt sie den Preis davon?

Mirakel sind für Verfifexe

Und für Koketten, wie man weiß,

Nur Kleinigkeiten. Eine Hexe

Verschafft auf immer ihrem Schweiß

Blos durch ein Prieschen ihrer Dose

Den Balsamhauch der frischen Rose,

Und kurz ihr Hemd erhielt den Preis.

Der Kaiser wühlt mit geiler Nase

Im süßen Duft, und wie ein Hase

Hüpft er mit ihr der Kammer zu.

Von nun an führte man am Hofe,

Von der Vezierin bis zur Zofe,

Vom Kanzler bis zum Talipu,

Auf Büchsen, Bändern, Roben, Hosen,

Kalendern, Fächern, nichts als Rosen.

Im Tempel, in der Opera,

Und selber auf der Wachtparade[101]

Roch man nur Wasser und Pomade

Und Puder a la Zilia.

Doch in der Welt ist alles eitel:

So schrieb schon König Salomo;

Des Kaisers Wonnerausch entfloh.

Er kratzte sich den platten Scheitel

Und schwur, der eckle Rosenduft

Verpeste seines Harems Luft.

Die Favoritin ward verstoßen

Und Magd der neuen Sultanin.

Einst lag sie traurig hingegossen

In einer Laube von Jesmin;

Da sah sie plötzlich Karabossen,

Die alte gute Zauberin,

Am ehrnen Gartengitter stehen;

Sie wagt es zu ihr hinzugehen,

Und klagt ihr weinend ihre Noth.

Getrost, mein Kind! versetzt die Elfe,

Ich schwöre bey dem blassen Tod,

Daß ich aus deinem Kreuz dir helfe;

Nimm hin; Sie gab ihr einen Topf

Von schwarzem Thon: Laß beym Frisieren

Mit dieser Salbe dir den Kopf

Vor Sonnenaufgang balsamieren

Und – hier verschwand das Mütterlein.[102]

Noch bleichte Lunens letzter Schein

Das kahle Haupt der braunen Berge,

So ließ die wache Zilia

Sich schon von ihrem treuen Zwerge

Den Topf mit magischem Latwerge,

Sonst heißt es Assa fötida,

In ihre blonden Locken reiben;

Allein sie konnte vor Gestank

Nicht am entweihten Putztisch bleiben.

Sie flieht am Kopf und Herzen krank,

Um eine reinre Luft zu trinken,

Zur Gartenlaube von Jesmin,

Auf der Aurorens Thränen blinken,

Hier fluchte sie der Zauberin

Und rief, von Harm und innerm Grimme

Entgeistert, mit erloschner Stimme

Dem Tod. An seiner Statt erschien

Der Kaiser, den auf seiner Matte

Bis in die späte Mitternacht

Der Schnupfen hart geplaget hatte:

Kaum war er niesend aufgewacht,

So wünscht er Rosenduft zu riechen,

Gespornt von Amors Zaubermacht,

War er der Nymphe nachgeschlichen.

Itzt sprang er aus dem Busch hervor[103]

Küßt schmachtend ihre heißen Backen,

Beschniffelt ihren Marmornacken

Und stammelt: war ich nicht ein Thor,

So seltne Reitze zu verschmähen?

Ich lobe mir den Rosenduft!

Der Höfling trippelt auf den Zehen

Der Laube zu, bleibt schalkhaft stehen,

Und mancher hochgeborne Schuft,

Ja selbst des Kaisers alte Base

Rief hustend mit verhaltner Nase:

Ich lobe mir den Rosenduft!

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 3, Tübingen 1802, S. 99-104.
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