Der Affe am Hofe

[138] Ein Affe machte so viel Streiche

So manche feine Schelmerey,

Daß in dem ganzen Königreiche

Sein Ruhm erscholl und selbst der Leu,

Ein Freund der Künste, zween Emiren

Befahl, ihn auf die Burg zu führen.


Der Großherr wollte fast zerplatzen,

Als unser Gauckler vor ihn trat;

Durch tausend Schwänke, tausend Fratzen

Erhielt er gleich den Rang als Rath;

Und bald hernach durch Brief und Siegel

Den Titel: Ritter Eulenspiegel.


Im Anfang trafen seine Possen

Den Schöps, den Esel und das Rind,

Ein Kleeblatt, dem des Spötters Glossen

Von Alters her gewidmet sind.

Allein sie schwiegen, oder machten

Gar Choro mit, wenn andre lachten.


Der Beyfall, der ihn warnen sollte,

Des Königs Gunst, berauschten ihn,[139]

Indem er mehr noch glänzen wollte

Vergaß sich unser Harlekin,

Und übte seine Neckereyen

Am Tiger, Wolf und andern Beyen.


Nach einer Zeit von sieben Tagen

War Meister Affe so beherzt,

Sich an den Leuen selbst zu wagen,

Und nun war seine Gunst verscherzt.

Die Majestät, anstatt zu lachen,

Befahl ihm den Proceß zu machen.


Bey Niedern, die dem Spotte weichen,

Ist er verblümte Tyranney:

Bey denen, die an Stand sich gleichen,

Ist er ein Quell der Zänkerey:

Bey Großen ist er ein Verbrechen,

Das sie mit ihren Blitzen rächen.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 1, Tübingen 1802, S. 138-140.
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