Der Affe und der Löwe

[72] Ein Affe, der bey einem Biographen

Als Famulus gedient, zerbrach sein Joch,

Kam an des Löwen Hof und ward wie alle Sklaven

Ein Schmeichler, der im Staube kroch.

Herr König, sprach er einst im Ton des Patrioten,

Wie kömmt es, daß kein Annalist,

Kein Sammler großer Anekdoten,

In deinem Reich bestellet ist?

Wie manchen schönen Zug von Tapferkeit und Treue,

Von Weisheit, Großmuth, edler Reue,

Von Mutterpflicht, Geduld und stiller Frömmigkeit

Verschlingt der Ocean der Zeit!

Auf deinen Wink bin ich bereit,

Die hohen Tugenden, die Krieg und Frieden

In unserm Staat erzeugt, vom libyschen Alciden,

(Hier bückte sich der Biograph)

Bis zum bescheidnen, frommen Schaf,

In thierischen Ephemeriden,

Der grauen Ewigkeit zu weyhn.

Kerl, fiel der Großsultan ihm ein,[73]

Du schwatzest wie ein Mensch aus den polierten Staaten

Des Occidents, wo gute Thaten

So selten sind, daß man sie zählen kann:

Rührt deine Faust hier nur den Griffel an,

So laß ich dich lebendig braten.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 2, Tübingen 1802, S. 72-74.
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