Das siebenzehende Capitel.

Wie D. Faustus bey seinem Abschied ein schönes Castell oder Schloß vor der Residentz deß Grafen aufgerichtet, und in solchem der Hofstatt ein herrliches Frühmahl zubereitet hat.

[476] EHe D. Faustus seinen Abschied von diesem Hof nahme, bate er den Grafen und seine Gemahlin, sie wolten mit ihm einen kleinen Spatzierweg hinaus nemen, denn er wäre bedacht und gesonnen, Ihrer Hoch-Gräfl. Gn. Gn. ein schönes Schloß oder neuerbautes Castell sehen zu lassen, auf dero Grund und Boden. Als die Bewilligung hierauf erfolget, und beede Hoch-Gräfl. Gn. Gn. samt den meinsten am Hof, und etlichen Frauenzimmer, vor das Thor hinaus kommen, da sahen sie vor ihnen mit grosser Verwunderung auf einer Höhe, sonst Rombühel genandt, ein schön neuerbautes Schloß stehen; Sie kamen zu solchem je länger je näher, und wurden erstlich gewahr eines tieffen geringsherum gesetzten Wasser-Grabens, darinnen schwummen mit grosser Lustbarkeit zu sehen, mancherley Wasser-Vögel, als Schwanen, Reiher, [461] Enten, und dergleichen. Das Schloß hatte zwey Thor, und fünff aufgerichtete schöne runde Thürne: in dem Hof deß Schlosses giengen Affen, Meerkatzen, ja so gar zahme Bären, Gemsen, Straussen, und andere Thiere mehr, mit männigliches Verwunderung.

D. Faustus führte sie weiter hinein in einen schönen Saal, unten am Hof stehende, und richtete allda diesen vornemen Gästen ein herrliches Frühmahl an, von allerhand delicaten Speisen, und guten Geträncken: Er stellete zugleich eine überaus liebliche Music an, von allerhand angenemen musicalischen Instrumenten, und liesse die Gräfliche Personen bedienen, der Famulus aber, Christoph Wagner, wartete den andern auf, daß also kein Mangel an irgend etwas erschiene, und sie inner einer Stund dem Ansehen nach, auf das beste gesättiget wurden.

Der Graf und seine Gemahlin bedanckten sich gegen dem[476] D. Fausto, wegen solch herrlicher Bewirthung, und kehreten also, samt den andern, wieder dem Hof zu. Als sie aber etwas ferner und der Residentz näher kamen, sihe, da gieng in jetzt besagtem Schloß ein grosses Feuer auf, geschahen zugleich auch daraus grosse Büchsenschüsse, und verbrandte das Schloß in kurtzen, ja verschwand vielmehr.

Diß alles sahe der Graf, und alle die mit ihm waren, und zusahen: es war ihnen aber zur Stund nicht anderst, als wenn sie nicht einmal gefrühstücket, vielweniger ein solch herrliches Frühmahl eingenommen hätten; ja es kam ihnen allen der Hunger in den Bauch, daß sie allesamt aufs neue zu frühstücken verlangten.


[462] Anmerckung.

I. Aus diesem mag man lernen, wie der Teuffel die Sinne der Menschen manchmal verblende, daß man alles greifflich sehen kan, betasten, ja gar geniessen kan, und ist doch mehrmals nichts, sondern nur eine Phantasey, Gauckelwerck und Verblendung, wie allhier an D. Fausti gezauberten Schloß und dem daselbst eingenommen Frühmal zu sehen.

Ein Graf von Aspermont hat pflegen allerley Gesellschafft, so in sein Haus kommen, dermassen herrlich und stattlich zu empfangen und zu tractiren, daß sie an den köstlichen Trachten, Speisen und Getränken, ingleichen an der guten Aufwartung und allerhand Uberfluß, ein gutes Genügen getragen. Allein das End und der Abzug ist nicht so annehmlich gewesen: sintemal wenn die Leute und Pferde aus seinem Haus gewesen, seynd sie fast Hungers und Durst gestorben, wie Bodinus bezeuget, Dæmonom. Teutsch. p. 107.

Pasetes, einer der Vornehmsten Zauberer selbiger Zeit, hat durch Krafft seiner Zauberey, in einem Huy seinen Gästen eine herrliche Gasterey (wie es sich denn ansehen liesse) zugerüstet: aber nach dem sie die Hände gewaschen, und angefangen sich zu Tische zu setzen, ist weder zu beissen noch zu brocken mehr vorhanden gewesen, also daß ihnen vor Hunger und Durst der Bauch, wie man spricht, am Rücken geklebet ist. Hildebr. in Göt. p. 236.

Eine solche herrliche Gasterey hat auch D. Fausti gewesener Famulus, Christoph Wagner, einsten zu Wien etlichen guten Gesellen angerichtet, die gerne eine gute Kurtzweil von ihm sehen wolten, und ihm deßwegen auf einen Tag zu sprachen, er aber gedachte, er wolte[477] ihnen eins machen, und sagte zu ihnen, so sie Lust hätten ihn in seinem Logement zu besuchen, so wolle er sie freundlich gebeten haben, daß sie deß Abends zu ihm kämen, er hätte ein Haus vor der Stadt draussen, er wolte sie wol bewirthen, nur allein mangelte es ihme an Trinckgeschirren, die sie solten mitbringen, weiln er eine Zeit lang verreiset gewesen, und nicht draussen gewohnet hätte; darzu so dörfften sie wegen der Nacht nicht herein eilen, denn er könnte sie allesamt über Nacht beherbergen.

Sie waren deß zu frieden, und gieng ein jeder hin, und brachte mit sich etwan ein schön geschnitten Glas, oder einen [463] silbernen Becher, und kamen an dem bestimmten Ort zusammen. Und als sie miteinander auf dem Abend zur Stadt hinaus giengen, zeiget der Wagner ihnen ein hübsches Haus, welches dem Ansehen nach sehr wol gebauet, darzu künstlich gemahlet war, und auf einem Berglein stunde; da sie doch vor diesem an diesem Ort dergleichen Haus nie gesehen hätten. Sie folgeten aber allesamt dem Wagner, und wie sie hinein kamen, da wurden sie von etlichen Dienern, wie auch dreyen oder vier Jungfrauen aufs beste bewillkommet; auch war das Zimmer stattlich zugerichtet, der Saal hübsch ausgezieret, und da es nun Zeit ware, daß man zu Tische sitzen sollen, wurde ihnen sämtlich aufs beste aufgewartet, die Tafel aber mit den herrlichsten Speisen und Geträncken besetzet und versehen.

Zeit währender Mahlzeit aber hörete man die angen emste und lieblichste Music von allerhand Saitenspielen, daß sie sich alle nicht genugsam drüber verwundern kunten: noch mehr, als sie hierauf zwölff Affen hinein kommen sahen, welche auf das zierlichste getantzet, einer halben Stund lang, und als diese hinweg, kamen drey Bären aufgezogen, die hielten ebenmässig einen Tantz, bald aber bissen sie einander darüber so hefftig, daß auch das Blut hernach folgte: Darauf kamen hinein kleine Männlein und Fräulein, etwan einer Spannen hoch, die tantzeten auch allerley seltzame, mehrentheils unzüchtige Täntze, und vertrieben ihnen also die Zeit sehr wol.

Nach dem Essen giengen sie auf einen grünen Platz, allwo die obigen vier Jungfrauen zugegen waren, da fingen sie an zu tantzen, in dessen sich wol sechserley Violen hören liessen, und währete dieses lang in die Nacht hinein: und weil der Mond zur Zeit noch hell schiene, auch meisten theil vom Tantzen ermüdet waren, giengen sie an das Wasser, welches um daß Haus herflosse, stiegen in den kleinen Kahn oder Nachen, und fischeten, fingen auch wider Verhoffen etliche seltzame Fische, dergleichen sie ihres damaligen Bedunckens nach, nie gesehen hatten; aber sie kunten sie nicht fortbringen, darzu hatte es ihnen[478] der Wagner ausdrücklich verbotten, es solte niemand einigen von den Fischen mit sich heim nehmen: welches Verbott aber einer unter den Gesellen nicht groß geachtet, sondern einen Fisch in seinem Sack verborgen, mit sich nach hause getragen.

Wie es nun sehr spat in die Nacht hinein, namen die Jungfrauen ihren Abschied, mit dem Vermelden, daß sie nun auch Zeit hätten, damit sie etwan auf Morgen, oder ein an[464]dermal wieder kommen dörfften, die Gesellen aber blieben länger im Grünen, zecheten allda so lang und waren lustig und guter Dinge, bis sie alle auch dessen müde waren. Da kommet sie alle, ausser dem Wagner, ein gehlinger Schlaff an, daß sich dessen keiner enthalten kunte, huben derwegen an, und schnarcheten gleichsam mit einander in die Wette. Als dieses der Wagner sahe, machte er sich mit seinem Clausen, seinem Famulo auf, und gieng davon, vergasse aber nicht die silbernen Becher und 2. schöne Gläser mit zu nehmen, und ließ die guten Gesellen schlaffen bis an den hellen Morgen; da sie denn erwachten, und mit Erstaunen wahrnamen, daß sie unter dem Galgen oder Hoh-Gericht lagen, auch zum Wahrzeichen dessen noch zwey gehenckte ob sich hangen, ja um und neben sich abgefallene Diebs-Knochen und Gebeine liegen sahen.

Wer war nun furchtsamer, ja wer war auf diesen Schelmen-Wirth, den Wagner, entrüsteter, als die Gäste? Allein was wolten sie machen? Es halff inzwischen einer dem andern auf das Förderlichste aus dem Galgen, giengen nach Hause, und sagten niemand viel davon, damit sie ungevexiret bleiben möchten: Welches jedoch kurtz hernach unter die Leute kommen.

Als auch dieser, so den Fisch heimlich eingestecket, heim kommen, und daran gedacht, will er ihn heraus nemen; aber er bekommt eine scheußliche Kröte in die Hand, welche ihm recht entsetzlich ist vorkommen: er aber hat sie aus Zorn zum Fenster hinaus auf die Gassen geworffen, da ist sie alsobald wieder ins Haus kommen. Zum andernmal gräbet er sie gar ein, sie hat sich aber gleich selbst wieder heraus gescharret: Er lässt sie gar in die Donau werffen, sie kommet auch wieder. Endlich schickt er sie hin zu dem Galgen, wo sie zuvor gegewesen, allda verbliebe sie und kam nicht wieder.

Ein vornemer Spanischer Herr, deß Namen hier nicht soll genennet werden, war ein sehr karger Filtzhut, und gab seinem Gesinde nicht gern viel zu essen; der reitet nun einsmals mit vier seiner Diener nach Toleto, und hatte von dem Schwartzkünstler Wagner gehöret, daß er sich daselbst aufhielte, gedachte derwegen, er wolte ihn besuchen; und als er nun seine Sachen bald ausgerichtet hatte, wolte er aus Kargheit nicht im Wirthshaus einkehren, denn er besorgete, es[479] möchte ihm Geld kosten, zumaln es wegen des Mißwachses gar theuer zu zehren war, gienge derhalben hin zu den Wagner, begehret seiner [465] Kundschafft; welcher alsbald zu ihm hinab kam, ihn freundlich empfienge, und mit sich hinauf in sein Zimmer name.

Da hub der Spanier erstlich an zu sagen, wie er von seiner Kunst so viel Ruhm und Lob vernommen, und wie er sonderlich gehöret hätte, daß er könnte vermittelst solcher Speise und Getranck aus fern entlegenen Orten umsonst zuwegen bringen; welches Kunststück er denn vor allen andern sonderlich gern sehen möchte, wo es anderst dißmal seine Gelegenheit zugeben, und ihm beliebig sein möchte. Hierauf antwortete der Wagner mit ja, er solte sich nur an den Tisch setzen, er solte nach Verlangen gesättiget werden, in Hoffnung einer guten Recompens, die erfolgen solte.

Wagner ließ also kurtz hierauf den Tisch decken, und der Geist Auerhan brachte bald Speiß und Getranck von mancherley Arten. Der karge Spanier satzte sich mit seinen Dienern, und ließ ihm die Tractamenten sehr wol schmecken, rühmete auch den Wagner, und sprach benebenst, wie er ihm solches in kurtzem wolte reichlich vergelten.

Als nun die Mahlzeit gehalten, stunden sie auf, rüsteten sich, und beschickten ihre Pferde, die auch gleicher Gestalt ein solch geborgtes Rauchfutter empfangen hatten. Sie gesegneten also den Wagner, namen ihren Abschied, zogen davon, und bezahleten nicht das Geringste. Wie sie aber etwan eine halbe Stund geritten waren, kommt sie alle ein grosser Hunger an, daß je einer zu dem andern gesagt, ihm hätte in langer Zeit der Hunger nicht so wehe gethan, der Herr sprach auch deßgleichen. Je weiter sie fortzogen, je grösser der Hunger ihnen zusetzte, daß sie meineten, wenns noch lang wären solte, sie müsten verschmachten; die Pferde wurden auch so müde und hinfällig, daß sie kaum die Knochen heben kunten. Der Spanier aber triebe die Pferde über Macht, kam also hungerig heim, und verstunde aus diesem, wie es Wagner gemeinet, und daß er von ihm also verblendet und betrogen worden.

D. Conr. Dietericus erzehlet, daß in Hessen von Pfeiffern und Spielleuten ausgegeben worden, daß sie ungefehr zu einem Hexentantz kommen, und allda aufgemacht haben, da seyn sie wol tractiret worden, haben ihnen einen guten Rausch angesoffen, seyn endlich in eine Kammer geführt, und in ein stattlich Bett geleget worden: Morgens frühe aber, als sie erwacht, seyn sie unter dem Galgen gelegen, an Statt, daß sie vermeinet, daß sie in einem weichen Bett geschlaffen hätten.[480]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 476-481.
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