[69] Das zehende Capitel.

Von der schrecklichen Obligation und Handschrifft, so D. Faustus dem Teuffel, in eines Münchs habit verkleidet, hat übergeben.

[121] NAchdeme nun der höllische Geist von Fausto abgewichen, vielleicht die Zeit zu gewinnen, um die versprochene Obligation oder Handschrifft zu verfertigen, hätte er wol noch Zeit gehabt seinen Abfall von GOtt mit reuigem bußfertigem Hertzen zu verbessern: allein D. Faustus trachtete nur dahin, wie er seine Wollust und Mütlein in dieser Welt recht abkühlen möchte, und war eben auch dieser Meinung, welcher jener vorneme Herr gewesen, der unter andern auf dem Reichstage zu etlichen gesaget hat: Himmel hin, Himmel her, ich neme hier das Meinige, mit dem ich mich auch erlustige, und lasse Himmel Himmel seyn; wer weiß, ob die Auferstehung der Todten wahr sey?

Name derhalben ein spitziges Schreibmesserlein, und öffnete ihm an der lincken Hand ein Aederlein, das ausfliessende Blut faste er in ein Gläslein, satzte sich nieder, und schrieb mit seinem Blut und eigener Hand, nachfolgende erschreckliche Obligation und Verbündniß: und saget man für warhaftig, daß in solch seiner lincken Hand einige eingegrabene Schrifft von ihme dazumal sey gesehen worden: ô homo fuge, O Mensch fliehe für diesem Greuel und thue recht.

Die Obligation lautet also:

ICh Johannes Faustus, Doctor, bekenne hie öffentlich am Tag, nachdem ich jederzeit zu [70] Gemüt gefasset, wie diese Welt mit allerley Weisheit, Geschicklichkeit, Verstand und Hoheit begabet, und allezeit mit hochverständigen Leuten geblühet hat; dieweil ich denn von Gott dem Schöpffer nicht also erleuchtet, und doch der Magiæ fähig bin, auch darzu meine Natur von himmlischen Influentien geneigt, zu deme auch gewiß und am Tage ist, daß der irrdische GOtt, den die Welt den Teuffel pflegt zu nennen, so erfahren, mächtig, gewaltig und geschickt ist, daß ihme nichts unmüglich, so wende ich mich nun zu dem, und nach seiner Versprechung soll er[121] mir alles leisten und erfüllen, was mein Hertz, Gemüte, Sinn und Verstand begehret und haben will, und soll an nichts Mangel erscheinen, und so denn dem also seyn wird, so verschreibe ich mich hiermit mit meinem eigenen Blut, welches, wie ich gleichwol bekennen muß, daß ichs von dem GOtt deß Himmels empfangen habe, daß ich dasselbe und auch diesen meinen Leib und Gliedmassen, so mir durch meine Eltern gegeben, und alles was an mir ist, sammt meiner Seelen, hiemit diesem irrdischen Gott feil trage, und verspreche mich ihm mit Leib und Seel.

Dargegen sage ich, vermöge der mir vorgehaltenen Articul, ab, allem himmlischen Heer, und was GOttes Freund seyn mag. Zur Bekräfftigung meiner Verheissung, will ich diesem allen treulich nachkommen; und dieweil unser aufgerichte Bündniß vier und zwantzig Jahr währen soll, so soll er denn, wenn diese verschienen und verloffen, dieses sein Unterpfand, Leib und Seele angreiffen, und darüber zu schalten und zu walten Macht haben: soll auch kein Wort Gottes, auch nicht die solches [71] predigen und vortragen, hierinnen einige Verhinderung thun, ob sie mich schon bekehren wolten.

Zu Urkund dieser Handtschrifft, habe ich solche mit meinem eigenen Blut bekräfftiget, und eigenhändig geschrieben.

Als er nun solche greuliche, erschreckliche, Gottes-und Ehr- und Seligkeit- vergessene Verschreibung verfertiget hatte, ist bald darauf der Teuffel in eines grauen Münchs Gestalt erschienen, und zu ihm getretten; da denn D. Faustus ihm seine Obligation und Verschreibung eingehändiget, darauf er gesaget: Fauste, dieweil du denn mir dich also verschrieben hast, so sollst du wissen, daß dir auch soll treulich gedienet werden; sollst aber benebens wissen, daß ich als der Fürst dieser Welt, keinem Menschen diene, und alles was unter dem Himmel ist, das ist mein, darum diene ich niemand: aber Morgenden Tags will ich dir einen gelehrten und erfahrenen Geist senden, der soll dir die Zeit deines Lebens dienen und gehorsam seyn; sollst dich auch für ihme nicht fürchten, noch entsetzen, er soll dir in Gestalt eines grauen Münchs, wie ich anjetzo, erscheinen und dienen.[122]

Hiermit neme ich diese deine Handtschrifft, und gehabe dich wol. Also ist er verschwunden.


Anmerckung.

I. Nicht nur D. Fausto allhie, sondern auch andern vor und nach ihm hat der leidige Teuffel gleichförmige Articul und Puncten, welche meistentheils zur Schändung deß Göttlichen Namens, Verachtung dessen geoffenbarten Worts und aller Göttlichen Wolthaten, ingleichen zum Verderb und Schaden deß Nebenmenschens gerichtet gewesen, sei[72]nen Bund-Genossen angemutet, allermassen die Historien uns berichten.

Unter vielen nur eines oder deß andern zu gedencken: so hat Papst Johannes der XIII. sich mit unterschiedlichen Articuln dem Teuffel verlobet, damit er zur Päpstlichen Hoheit gelangen möchte, welches auch erfolget.

Johannes der XIX. verschriebe sich dem Teuffel, unter andern, daß er an keinem Freytag, da man billich das schmertzliche Leiden und Sterben JEsu Christi hätte betrachten sollen, zu keiner Kirchen gehen, noch einiges Gebet verrichten solte.

Von Gregorio VII. melden die Historici, daß er in dieser Kunst die Egyptischen Zauberer, Jamnem und Jam brem weit übertroffen habe: denn dieser Gregorius wagte es frisch, er hatte bey sich einen Ertzpriester, Namens Laurentium, der ein grosser Schwartzkünstler war, und als den der Teuffel auch abgefertiget, fande er einen andern, den Theophylactum: die Bündniß aber, die er mit dem Teuffel gemacht, war diese, daß er allen denen zu wider seyn wolte, die ihn wegen seines bösen Lebens strafften, und sie mit Brand, Gifft und Mord verfolgen und angreiffen, sich auch nimmer verehlichen. Es trug ihm dannenher sein Spiritus familiaris, den er täglich bey sich hatte, stetigs zu Ohren, wer die jenigen waren, die sich ihme widersetzen wolten: welches er denn so fleissig in Acht name, daß er mit Beyhülffe seines getreuen Lehrmeisters Gerhardi Brazuti, etlichen Päpsten die Hälse abbisse, als Clementi II. Damaso II. Leoni IX. Victori II. Stephano IX. Nicolao II. unangesehen daß sie doch alle von der Kunst waren, und ein Teuffel den andern austriebe.

So ist am Tage vom Papst Alexander dem Sechsten, einem Hispanier, aus Valentia bürtig, dessen Nam zuvor war Rodericus Borgia; dieser hatte sich bey ihm, als er zu Bononia anfänglich auf der hohen Schul studiret, zween Vettern, so heimliche Crystall-Seher und Teuffels-Beschwörer waren, von welchen er soviel erlernet, daß er vermittels eines Spiritus familiaris, zu grosser Geschicklichkeit, nachmals gar zu dem Cardinalat kame: da er denn Tag und Nacht dahin trachtete,[123] wie er möchte höher steigen. Derohalben er einsten aus seiner Nigromantia in seinem Pallast auf dem Saal einen Circkel angestellet, und den Teuffel beschworen: (wie Modena sein geheimster Raht von ihm meldtet) da denn der Teuffel erschienen, und Bündniß mit ihm gemacht, daß er sich mit Leib und [73] Seele verschreiben solle, dagegen wolle er ihm die Zeit seines Lebens dienen, und zu der dreyfachen Cron verhelffen, welches auch geschehen.

Von einem Masconischen Graven schreibt einer, mit Namen Peter Abt zu Cluniax, daß in der Stadt Mascon, in der Lyonischen Provinz an dem Fluß Araris gelegen, ein Grav gewohnet, der ein grosser Schwartzkünstler war, der hielte seine Kunst sehr heimlich; aber nach seinem Tod befand man, wie und welcher Gestalt er sich mit dem Teuffel verbunden hatte, nemlich ein Durchächter der Geistlichen zu seyn: daher er auch in eine solche Wüterey gerahten, daß er, so viel er vermocht, ihnen mit Gewalt, oder durch gesuchte Ursach, all ihr Haab und Güter genommen, verjagte und verstiesse dieselben ohne alle Barmhertzigkeit aus den Kirchen, gab für, was ihr Schreyen und Geplerr nutz wäre, dieweil doch nach diesem Leben kein anders folgen würde.

Deßgleichen schreibt auch Petr. Mamorius in seinem Flagello Malefic. von Wilhelmo Lurano, welcher der H. Schrifft Doctor, und berühmter Prediger in Franckreich, darnebens auch ein grosser Zauberer und Schwartzkünstler gewesen, daß, als er wegen seines Zauberwesens Anno 1453 den 12. Decemb. zu Poictirs verdamt, er mit seinem eigenen Mund bekandt, daß er nicht allein alle Religion müssen verschweren, sondern auch ein besonders Instrument einer schrifftlichen Obligation oder Verbündniß von sich geben, darinnen er sich mit dem Teuffel, und der Teuffel wieder mit ihm, auf gewisse Puncten verglichen, unter andern, daß er GOtt verlaugnen, und dem Teuffel opffern wolle: Er hat ihm auch gelobet und verheissen zu predigen und zu lehren (wie er denn auch gethan) es sey alles diß was man von Zauberey und He xerey sage, eitel Fabelwerck, und man verübe eine grausame Tyranney, wenn man jemands darum am Leben straffe; und durch dieses Mittel, sagt der Author, sey die Straff der Zauberer und Hexen aufgehoben, und deß Satans Reich vermehret worden, sintemal hierauf die Zauberer mit Macht ohne Zahl zugenommen. Er habe auch offt den Teuffel angebetet, der sich zu Zeiten in Gestalt eines Menschen, zu Zeiten eines Bocks, sehen lassen: welche seine Bekändtniß noch zu Poictirs unter den Gerichts-Actis zu finden, wie Bodinus erwehnet, in Præfat. Dæmonom. p. 10. 11.


II. Zum andern aber, daß der Teuffel gleichwol von D. [74] Fausto eine Obligation und Handtschrifft mit seinem eigenen Blut bezeichnet,[124] begehret, ist dem Teuffel nichts neues; weiln ihn ohne das allezeit nach Christen-Blut dürstet.

Also schreibet man vom Papst Paulo II, der sich gleicher Weise dem Teuffel mit Leib und Seele, und zwar mit seinem eigenen Blut soll verschrieben, und als das Blut aus der eröffneten Ader heraus gesprungen, gesagt haben: So wahr dieses mein Blut ist,- so wahr ist der Teuffel mein, und ich bin sein; darauf alsobald der Satan nach dem gesprützten Blut gegriffen, und geantwortet, so wahr will ich dir auch Glauben halten.

Solche und dergleichen Verschreibung mit eigenem Blut, hat auch gethan Gerhardus Brazutus, ein Cardinal, item Henricus Cornelius, Hettes Hennensis, der Wildtfeuer zu Nordhausen, Johannes Teutonicus, und Laurentius ein Ertzpriester zu Rom: ingleichen D. Fausti Famulus, Joh. Wagner, und andere mehr.

So hat Anno 1571 ein Advocat zu Paris bekandt, er habe nicht allein mit einer ordentlichen Handschrifft sich dem Teuffel zu eigen ergeben, und GOtt verläugnet, sondern dieselbe noch darzu mit seinem eigenen Blut signiret und bezeichnet, Bodin. l. 2. Dæmon. c. 4.

Anno 1587 ist eine Hex zu Dillingen gefänglich eingezogen worden, die soll 31 Jahr in ihrem Wittibstand gelebet haben als eine Hebamme, dieser hat der Teuffel versprochen, sie in keiner Armut stecken zu lassen. Nun ist der Teuffel zum andern mal zu ihr kommen, und begehret, sie soll sich ihme ergeben, und mit ihrem Blut unterschreiben: da sie aber sagte, wie sie nicht schreiben köndte, da hat er ihr einen Ritz oder Riß an dem lincken Arm gemachet, ihr eine Feder in die rechte Hand gegeben, und mit dem aufgefangenen Blut die Feder gefüllt, welche er ihr geführet, und damit über das Papier gefahren; jedoch sey nichts darauf geschrieben zu sehen gewesen, (wie sie hernach in der Tortur bekandt und ausgesagt) welche Schrifft denn der böse Geist zu sich genommen habe; und wenn sie hernachmals etwan zur Kirchen gehen, oder ein Gebet verrichten wollen, zur Stunde sey der Teuffel zu ihr kommen, und hab ihr solch ihre vermeinte Verschreibung vorgehalten.

[75] Was darff es aber viel Wunderns, daß der leidige Teuffel der Menschen, und sonderlich der Christen-Blut, dessen er jeder Zeit ein abgesagter Feind ist, darzu begehret, weil er doch ihnen immerdar als ein scharffsehender Lux und tückischer Bär nachschleichet? Denn ein wilder Bär, wenn er einen Menschen in der Einöde antrifft, wirfft er ihn zu Boden, und sauget das Blut von ihm, und läst ihn liegen; welches auch der Lux dem Hirschen und Hasen thun soll; also will auch der Teuffel hiermit anzeigen, wie hefftig sehr er das Blut deß Menschlichen[125] Ge schlechts, an CHristo und seinen Gliedmassen, anfeinde, ja zu seinem Eigenthum suche.

Dieses sihet man auch an den verstockten Juden, als deß Teuffels heimlichen Instrumenten und Werkzeugen, welche der Teuffel dahin beredet, daß sie, damit er seinen Haß gegen CHristum genugsam erweisen möchte, deß CHristen-Bluts begierig seynd, ja dasselbe haben wollen und müssen: und gebrauchen es vornemlich darzu, (wie ein bekehrter Jud davon geschrieben) wenn ein Jude nunmehr, in den letzten Zügen läge und sterben wolle, so pflege man sie an etlichen Orten deß Leibes mit Christen-Blut zu schmiren, mit diesen oder dergleichen angefügten Worten: So der, der im Gesetz und in den Propheten verheissen, kommen und vorüber ist, und er der Messias gewesen ist, so seye dir deß Unschuldigen Blut, der in seinem Glauben gestorben ist, hülfflich und förderlich zum ewigen Leben.

Anno 1573 ward ein Jud den 28. Januari zu Berlin hingerichtet, Jud Leupold genannt, der war ein grosser Teuffels-Beschwörer und Zauberer, und ergabe sich auch dem Teuffel mit Leib und Seel. Denn der Teuffel hatte ihm verheissen grossen Reichthum, Ehre und Ansehen. Dieser hatte nun von einem Gottes vergessenen Bettler ein Kind erkaufft, welches er denn zur Stunde den andern Juden ansagte; derhalben sie das Kind creutzigten, und thäten ihme allerdings wie ihre Vorvätter dem HErrn Christo, sie geisseltens, sie verspottetens, und nagelten es an ein Creutz, und namen das Blut darvon.

Anno 1475 am heiligen Charfreytag, ward ein Kind von dem Juden Simon gemartert zu Trient. Denn als die Juden in derselbigen Stadt ihr Ostern, ihren Ceremonien nach, begehen wolten, und doch zur Zeit kein Christen- Blut [76] zum Gebrauch ihres ungeseuerten Brods hatten, da brachten sie ein Kind drey Jahr alt verstolens in Samuels, eines Juden Behausung, folgender Gestalt.

An dem Charfreytag um Vesperzeit, sasse dieses Kind vor seines Vattern Thüre, in Abwesenheit der Eltern; da nahete sich Tobias, ein jüdischer Verrähter, zu ihm, gab ihm gute Wort, daß es zu ihm lieffe, da trug ers, als er niemand warname, der es sehen kundte, in deß Rabbi Samuels Haus. Als nun die Nacht heran nahete, da freueten sich der Rabbi und sämtliche Juden über dieses unschuldige Christen-Blut, und legeten ihm ein Faciletlein um sein Hälslein, auf daß man es nicht schreyen möchte hören; spanneten ihm bald seine Aermlein aus, und schnitten ihm erstlich aus, was ihn solte einsten zu einem Mann machen, darnach stachen sie es allenthalben mit spitzigen Pfriemen, einer die Hände, der ander die Füsse haltende. Als sie nun sehr viel Bluts gesamlet hatten, da huben sie an einen Lobgesang zu singen,[126] und zu dem Kind mit hönischen Drohworten zu sprechen: Nimm hin du gehangter Christe, also haben etwan dir unsere Voreltern gethan, also sollen alle Christen, im Himmel und auf Erden, noch mehr geschändet werden.

Indessen verschiede das unschuldige Märterlein, und eileten die Juden mit dem aufgefangenen Blut zu ihrem Nachtmahl, allwo sie in solches ihr ungeseuertes Brod eintauchten und assen: Zur Nachts-Zeit aber wurffen sie den todten Leichnam in ein fliessendes Wasser, nahe bey ihrem Haus, und hielten also die Ostern mit Freuden.

Endlich wurden sie doch, aus gerechtem Gerichte GOttes, ausgekundtschaffet, gefangen der Obrigkeit überantwortet, und bekamen ihren verdienten Lohn.

Dergleichen Ubelthat haben auch die Juden etwan fünff Jahre hernach in dem Städtlein Mota in Friaul gelegen, mit gleichmässiger Hinrichtung und Ertödtung eines andern Kinds, begangen; darum wurden auch der Thäter drey gefangen, gen Venedig geführt, daselbst nach anderer angethanen Marter, auf den Scheiterhauffen geleget, und lebendig verbrennet.

Anno 1529. ist zu Bosing in der Marck, welche in Ungarn gelegen, und den Wolgebornen Herren, Herren Frantzen und Wolffgang Gebrüdern Grafen zu S. Georgen und Bosing, zugehöret, ein Knäblein, mit Namen Hänsel im neundten Jahr seines Alters, verloren worden, welches Gregorii [77] Meiligers, Wagners und Bürgers daselbst Kind gewesen. Und wiewol durch fleissiges Suchen der Eltern und Anverwandten, das Knäblein unter den Juden, so allda wohnhafft gewesen, gesucht, auch sonst an viel und andern Oertern seinetwegen Nachfrage gehalten worden, ist doch solches etliche Tage lang verloren blieben, bis es durch Göttliche Schickung wiederum am Mitwochen nach Christi Himmelfahrts-Tag, zwischen 7. und 8. Uhr Vormittag, ausserhalb Bosing, in einer dicken Dornenhecken, mit gebundenen Händen, in einem Hemdlein, auf seinem Angesicht liegend, gefunden worden, mit vielen Wunden und Stichen übel zugerichtet, und darauf in seiner Eltern Haus getragen worden. Als hat die Obrigkeit dieses Orts solche That bald ihrem Gnädigen Herrn angezeiget, und auch dessen die benachbarte Ort wissend gemacht; welche denn nach Besichtigung dieser freveln That so bald geurtheilet, daß solche eine Jüdische Arbeit wäre. Derentwegen man alle befindliche Juden daselbst eingezogen, ja ernstlich angezogen, welche aber doch nichts haben bekennen wollen. Nachdeme man sie aber nach den Pfingsttägen mit ernstlicher Frage angesprochen, haben sie an der Marter, wie auch hernach, bekandt, daß sie den Knaben in einem Keller gemartert haben, ihm alle Aederlein geöffnet,[127] das Blut mit Federkielen ausgesogen, und mit Frolocken erstlich in ihre Synagog getragen, nachmals gen Marcheck geführet, und einem Rabbi überantwortet.

Nach beschehener dieser Beicht und Bekändtniß der Juden, seynd sie sämtlich auf einen Freytag vor Gericht geführet, und allda noch einmal befraget worden, ob sie dessen, was sie deß ermordten Knabens wegen vorher bekandt hätten, nun auch geständig wären? und als sie mit ja geantwortet, ist das Urtheil mit Recht über sie gefället worden, daß alle Juden zu Bosing, jung und alt vertilget, und mit Feuer solten verbrennet werden. Doch haben gedachte Herren Graven den Jüdischen Kindern, so unter acht und zehen Jahren gewesen, Gnade widerfahren lassen, ihnen das Leben gefristet, und zur heiligen Tauff kurtz hernach befördert: Aber die alten Juden, Mann und Weib, Ledige, auch Knecht und Mägde, in die dreyssig Personen, seynd hinaus ausser Bosing, auf eine Wiesen geführet, woselbst ein grosser angezündeter Scheiterhauffe gewesen, auf welchen sie gesetzet, und sämtlich zu Aschen verbrennet worden.[128]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 121-129.
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