11. Agathokles an Phocion.

[52] Rom, im März 301.


Dieser Brief ist der letzte, den du aus Rom erhältst. Ich verlasse es in wenig Tagen, um Kriegsdienste zu nehmen, und jetzt, wo das Auge der Welt auf die große Entscheidung geheftet ist, mit und für Tiridates zu streiten. Zeihe mich keiner Unbeständigkeit, wenn du mich, nach dem, was ich dir unlängst geschrieben habe, doch diesen Stand, der so viel von seiner ursprünglichen Würde und Zweckmäßigkeit verloren hat, ergreifen siehst! Ich brauche Beschäftigung, bestimmte, unnachlässige Thätigkeit; denn ich fühle, daß in meiner jetzigen Lage jene Muße, in der sich sonst meine Seele so wohl befand, Gift für mich wäre. Calpurnia ist zu reizend und zu leichtsinnig. Um sie zu seyn, und sie nicht zu lieben, ist unmöglich; sie zu besitzen und glücklich zu seyn, noch unmöglicher. So sehr sie mich anzieht, so tief fühle ich, daß wir nicht für einander geboren sind. Darum ist es Pflicht gegen mich, gegen sie, daß dieser Zauber zerstört werde, und das kann und wird er sicher durch Entfernung. Weniger als je widert mir diesmal der Zweck und die Art des angefangenen Krieges. Es gilt keine neue Eroberung, kein prunkendes Hinzufügen neuer Provinzen zu dem ungeheuern[52] Staatskörper, um sie eben so zu vernachlässigen und auszusaugen, wie die vorigen. Dem rechtmäßigen Beherrscher soll der Thron seiner Väter erstritten, und die Schmach vergangener Jahre an übermüthigen Barbaren gerochen werden. So ehrt der Zweck die Mittel, und ich erröthe nicht, ich freue mich vielmehr, in diesem Kriege auch meine Kräfte zu versuchen, und eine edle Absicht mit Aufopferungen befördern zu helfen. Tiridates ist nach Mailand zum Augustus Maximian. Ich folge ihm bald, wir schiffen uns in Ravenna ein, und in ein paar Wochen denke ich in Nikomedien zu seyn. Daß ich dich nicht mehr dort treffen soll, war eine schmerzliche, eine niederschlagende Nachricht für mich, die ich aus dem Briefe meines Vaters vernahm. Du bist als Lehrer in der Akademie nach Athen berufen, du verlässest deine Vaterstadt, vielleicht in dem Augenblicke, wo ich mich anschicke, sie wieder zu sehen. Wie hätte ich mich gefreut, dich noch dort zu finden! Es sollte nicht seyn. So will ich denn auch diese fehlgeschlagene Hoffnung, wie so viele andere, woran mich mein Geschick von Jugend an gewöhnte, gelassen ertragen. Mein Vater hat mir geschrieben, so väterlich, so gütig, wie seit langer Zeit nicht. Ich weiß wohl, und fühle es dankbar, daß diese Milderung seiner Gesinnungen gegen mich dein Werk, daß es das schöne Vermächtniß ist, das du scheidend mir im väterlichen Hause zurücklässest. Habe Dank dafür, jenen innigen aber wortarmen Dank, den du weder verkennst, noch verschmähst! Ich hoffe endlich meinen Vater, auch in dieser Hinsicht, mit mir zufrieden zu sehen. Ich habe ihm meinen Entschluß, Kriegsdienste zu nehmen, geschrieben, und ihn um seine Verwendung gebeten. Er wünschte längst, mich[53] in irgend einer Laufbahn thätig zu sehen; und so fällt sein Wunsch mit meinen Absichten zusammen. Trifft dich dieser Brief noch in seinem Hause, so schildere ihm meine kindliche Dankbarkeit für seine Güte, und sage ihm, daß ich es nächstens selbst thun werde. Leb' wohl, theurer, väterlicher Freund!

Quelle:
Caroline Pichler: Agathokles. Erstes bis Sechstes Bändchen, Schriften, Band 31, Stuttgart 1828, S. 52-54.
Lizenz:
Kategorien: